Klinische Neurophysiologie 1983; 14(2): 101-105
DOI: 10.1055/s-2008-1061039
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Überlegungen zur Funktion der frühen und späten Komponente des Blinkreflexes - Untersuchung des Entladungsverhaltens einzelner motorischer Einheiten

Considerations on the function of the early and late component of the blink reflex - investigation of the discharge pattern of single motor unitsR. Dengler, F. Rechl, A. Struppler
  • Neurologische Klinik und Poliklinik der Technischen Universität München
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Publication Date:
18 March 2008 (online)

Summary

The discharge pattern of single motor units in the early (R1) and late (R2) component of the electrically evoked trigemino-facial blink reflex was investigated by means of selective EMG-recording techniques. At low rate stimulation (0,1 Hz) the stimulus threshold of motor unit discharges in R1 was clearly above that in R2. Higher stimulation rates (1 Hz) were associated with an attenuation of motor unit discharges in R2 according to the well known habituation. The same motor units, however, revealed stable discharges in R1 or even signs of facilitation. These differences of motor unit recruitment in the two components indicate that R1 cannot be simply interpreted as a protective reflex like R2. At higher stimulus intensities, the characteristical firing pattern consisted of single discharges in R1 followed by high frequency multi-discharges of the same motor units in R2. This means that the motor unit discharges in R1 do not only evoke a single twitch of the eyelids but initiate a vigorous tetanic contraction with short latency. Thus, R1 yet reveals a protective function shortening the latency of the reflex blink upon stronger stimuli on the side of the affected eye.

Zusammenfassung

Das Entladungsverhalten einzelner motorischer Einheiten in der frühen (R1) und späten (R2) Komponente des elektrisch evozierten trigemino-fazialen Blinkreflexes wurde mit Hilfe selektiver EMG-Ableitetechniken untersucht. Bei niederfrequenter Stimulation (0,1 Hz) lagen die Reizschwellen für Entladungen einzelner motorischer Einheiten in R1 deutlich über denen von R2. Bei höherfrequenter Stimulation (1 Hz) nahm die Entladungstätigkeit in R2 im Sinne der bekannten Habituation ab. Die Entladungen derselben motorischen Einheiten in R1 erwiesen sich dagegen als stabil bzw. zeigten eine Fazilitierung. Dieses unterschiedliche Rekrutierungsmuster in den beiden Komponenten weist darauf hin, daß es sich bei R1 nicht in gleicher Weise wie bei R2 um einen protektiven Reflex handelt. Bei höheren Reizstärken bestand das charakteristische Muster aus einer Einzelentladung in R1, gefolgt von hochfrequenten Mehrfachentladungen derselben motorischen Einheiten in R2. Unter diesen Bedingungen lösen die Entladungen in R1 nicht eine Einzelzuckung der Lider aus, sondern leiten eine kräftige tetanische Kontraktion mit kurzer Latenz ein. R1 kann somit doch eine protektive Funktion zugeschrieben werden, die darin besteht, die Latenz des reflektorischen Lidschlusses bei starken Reizen auf der Seite des unmittelbar bedrohten Auges zu verkürzen.

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