Klinische Neurophysiologie 1991; 22(2): 83-88
DOI: 10.1055/s-2008-1060744
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Dosiswirkungsbeziehungen zwischen Blutalkoholkonzentrationen und kognitiven Potentialen (visuelles P300) beim Menschen

Dose-effect-relationship between blood alcohol concentration and cognitive potentials (visual P300) in manA. Taghavy, C. F. A. Kügler, L. Brütting, D. Taghavy, G. Machbert1
  • Neurologische Universitätsklinik und
  • 1Institut für Rechtsmedizin (Rechtsmedizinische Toxikologie) der Universität Erlangen
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Publication Date:
18 March 2008 (online)

Summary

20 healthy male subjects with a mean age of 24 ± 2,7 years were intravenously administerd a mean total dose of ethanol of 1,33 ± 0,04 g ethanol/kg body weight using a perfusor device. The ethanol kinetic resulted in a „rising phase” of 90,2 ± 0,9 min. in average. The PFP300 parameter in this phase of acute alcohol intoxication showed the following changes: Along with the increasing blood alcohol level the N250- and PFP300a-latencies of both the A- and B-potentials are progressively prolonged and the ascending PFP300-amplitudes are progressively reduced. The N250-latency of the B-potentials is shown to be the most sensitive parameter of the PFP300-complex already changing at a blood alcohol concentration (= b.a.c.) of 0,59 ± 0,11‰ with a mean linear prolongation of 2,5 ms per 0,1 g ethanol/kg body weight.

This prolongation reflects the increasing disability of the subjects to discriminate between task-relevant and task-irrelevant stimuli at b.c.a.-levels much below that being presently permitted for driving in the Federal Republic of Germany.

Zusammenfassung

Im Gegensatz zu den neurologisch klassifizierten dementiellen Prozessen stellt die akute Alkoholintoxikation ein Modell für ein reversibles Psychosyndrom dar. Wir untersuchten in dieser Studie den Einfluß der Blutalkoholkonzentration auf kognitive Hirnpotentiale anhand des durch aufleuchtende Schachbrettmuster ausgelösten P300-Komplexes (Pattern Flash elicited P300 = PF-P300; 12). Zwanzig gesunden männlichen Versuchspersonen mit einem Durchschnittsalter von 24 ± 2,7 Jahren wurde eine durchschnittliche Gesamtdosis von 1,33 ± 0,04 g Äthanol/kg Körpergewicht intravenös mittels Perfusorsystem appliziert. Hierdurch erzielte man eine Phase einer kontinuierlich ansteigenden Blutalkoholkonzentration, welche im Mittel 90,2 ± 0,9 Minuten dauerte.

Die Parameter des PFP300-Komplcxes, d. h. N250 (Unterscheidungspotential) und PFP300a (Entscheidungspotential) zeigten folgende Veränderungen:

  1. Mit steigender Blutalkoholkonzentration wurden die N250 und PFP300a-Latenzen zunehmend verlängert, während die N250-PFP300a-Amplituden stetig abnahmen.

  2. Die N250-Latenz erwies sich hierbei als der alkoholsensitivste Parameter des PFP300-Komplexes, da sie bereits bei einer mittleren Blutalkoholkonzentration von 0,50 ± 0,11‰ signifikant verlängert wurde.

  3. Darüber hinaus konnte eine lineare Dosis-Wirkungsabhängigkeit zwischen der N250-Latenz und der Blutalkoholkonzentration hergestellt werden, die eine Steigung von 2,5 ms pro 0,1 g Äthanol/kg Körpergewicht aufwies.

Diese Befunde weisen eindeutig darauf hin, daß die Versuchspersonen schon bei einer Blutalkoholkonzentration, die deutlich unter der gegenwärtig in der Bundesrepublik Deutschland erlaubten Promillegrenze von 0,8‰ liegt, erkennbare Schwierigkeiten hatten, zwischen wichtigen und unwichtigen visuellen Reizen zu unterscheiden.

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