Zahnmedizin up2date 2008; 2(2): 115-140
DOI: 10.1055/s-2008-1038381
Varia

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Speichel

Stefan Ruhl
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Publication Date:
28 March 2008 (online)

Bedeutung des Speichels

Speichel wird im Allgemeinen nicht als lebensnotwendige Flüssigkeit eingestuft. Ein Mensch kann ohne Speichel existieren, aber obwohl das Fehlen von Speichel nicht in direkter Weise lebensbedrohend ist, bringt es dennoch eine Menge erheblicher Schwierigkeiten und Einbußen mit sich.

Von Wichtigkeit ist hierbei offenbar nicht so sehr die Verdauungsfunktion des Speichels als vielmehr die Funktion beim Aufbereiten der Nahrung für den Schluckakt und für die Geschmacksempfindung. Ohne Speichel werden die regulären Mahlzeiten zu einer zermürbenden Qual.

Neben diesen nicht zu unterschätzenden physikalisch-mechanischen Funktionen hat Speichel auch eine schützende Funktion für die oralen Hart- und Weichgewebe sowie möglicherweise auch für die tieferliegenden Bereiche des gastro-intestinalen Trakts. Die Mundhöhle nimmt in vielerlei Hinsicht eine Sonderstellung ein. Sie stellt die Haupteintrittspforte zum Innern des Körpers dar. Potenziell schädliche Stoffe oder pathogene Keime der Außenwelt treten hier zum ersten Mal mit dem Organismus in Kontakt. Entsprechend sind in der Mundhöhle immunologische und nicht-immunologische Abwehrsysteme eingerichtet, zu denen nicht zuletzt Inhaltsstoffe des Speichels entscheidend beitragen.

Die Mundhöhle ist der einzige Platz, wo mineralisiertes Hartgewebe in Form der Zähne aus dem Körperinneren herausragt. Auch hier üben Inhaltsstoffe des Speichels eine protektive Wirkung aus, indem sie den Zahnschmelz vor Demineralisation schützen und ihn sogar nach stattgefundenem Säureangriff aus der Nahrung oder durch kariogene Bakterien wieder remineralisieren. Auch Schwankungen im pH‐Wert in der Mundhöhle werden durch Puffersysteme des Speichels ausgeglichen.

Merke: Wichtiger als die Verdauungsfunktion des Speichels sind seine Funktionen als Abwehrsystem und als Demineralisationsschutz für die Zahnhartsubstanzen.

Speichel schützt zudem das Weichgewebsintegument der Mundhöhle nicht nur vor Austrocknung, sondern auch vor chemischen, bakteriellen, fungalen und viralen Noxen. Speichel beinhaltet Substanzen mit antimikrobieller, antifungaler und antiviraler Wirkung. Jedoch wird, wie auch an anderen Schleimhautoberflächen des Körpers, eine benigne, endemische Bakterienflora vermutlich toleriert. Diese Bakterienflora hält unter physiologischen Bedingungen ein Milieu aufrecht, welches das Einnisten unerwünschter pathogener Keime sowie von Pilzen und Viren erschwert.

Funktionen des Speichels

  • Verdauung der Nahrung

  • Aufbereitung der Nahrung

  • Immunologische Abwehr

  • Schutz des Zahnschmelzes vor Demineralisation

  • Verbesserung von Geschmacksempfindungen

Die Bedeutung des Speichels für die Gesunderhaltung der oralen Hart- und Weichgewebe wird besonders deutlich, wenn Speichel nicht mehr genügend oder in pathologisch veränderter Form produziert wird, wie zum Beispiel bei bestimmten Erkrankungen der Speicheldrüsen (Sjögren-Syndrom) oder bei Mundtrockenheit (Xerostomie), die als Nebenwirkung bestimmter Medikamente oder als Folge einer Strahlentherapie bei Tumoren im Kopfbereich auftreten kann. Bei solchen Patienten fehlt die Schutzfunktion des Speichels und die physiologische Balance in der Mundhöhle ist gestört. Es kommt neben einer erhöhten Anfälligkeit für Pilzinfektionen und massiven Mundschleimhautentzündungen vor allem zu einem rapiden Verfall der Zahnhartgewebe durch eine floride Karies (Strahlenkaries).

Bei diesen gravierenden pathologischen Veränderungen ist die Rolle des Speichels unumstritten, es stellt sich die Frage, ob auch subtilere Unterschiede in der Zusammensetzung des Speichels einen Einfluss auf die Anfälligkeit eines Individuums für orale Erkrankungen, wie Zahnkaries oder Parodontitis haben könnten. Es konnten jedoch bislang nur wenige die zahnmedizinisch-klinische Diagnostik bereichernde Speichelparameter gefunden werden.

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Stefan Ruhl

Department of Oral Biology
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