Fortschr Neurol Psychiatr 2008; 76: S1-S2
DOI: 10.1055/s-2008-1038126
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Psychopathologie und Brain Imaging

Weißenauer Schizophrenie-Symposien veranstaltet von der Weißenauer-Arbeitsgemeinschaft für Psychosenforschung e. V. (WAG) in Zusammenarbeit mit der DGPPNPsychopathology and Brain ImagingWeißenauer Schizophrenia Symposia Organized by the Weißenauer Working Group in Psychosis (WAG) in Cooperation with the German Society for Psychiatry, Psychotherapy and Neurology (DGPPN)J.  Klosterkötter1
  • 1Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Köln
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Publication Date:
07 May 2008 (online)

Univ.-Prof. Dr. Joachim Klosterkötter

Bei den Weißenauer Schizophrenie-Symposien handelt es sich um eine der traditionsreichsten und renommiertesten Veranstaltungsreihen der deutschen Psychiatrie. Sie wurden 1971 von Gerd Huber gegründet, als er noch Ordinarius für Psychiatrie der Universität Ulm und zugleich Direktor des Akademischen Lehr- und Bezirkskrankenhauses Weißenau war. Sowohl der Gründungsort als auch die vorrangige Ausrichtung auf Schizophrenieforschung sind in der Symposiumsbezeichnung bis heute bewahrt geblieben, obwohl die Veranstaltung seither immer in anderen Städten, überwiegend an der Universität Bonn, der langfristigsten und wichtigsten Wirkungsstätte Gerd Hubers, sowie in den letzten Jahren an der Universität Köln stattfand und oft auch andere thematische Schwerpunkte mit einbezog. Die Anziehungskraft war gleich zu Beginn sehr hoch und führte dazu, dass sich angefangen von Manfred Bleuler nahezu alle Repräsentanten der nationalen und internationalen Schizophrenieforschung in den letzten 30 Jahren einmal unter den Symposiumsteilnehmern befanden. Dementsprechend hat sich auch der von der Firma Janssen-Cilag eigens für diese Veranstaltungsreihe gestiftete Kurt Schneider-Wissenschaftspreis rasch zu einer weit über deutsche Lande hinaus begehrten Auszeichnung entwickelt. Zu den bisherigen Preisträgern gehören neben hervorragenden deutschen Forscherpersönlichkeiten beispielsweise auch so führende Repräsentanten der internationalen Schizophrenieforschung wie Irving Gottesman, Charlottesville/Virginia, 1992, David Hemsley und Robin Murray, London, 1994, oder Kenneth Kendler, Richmond/Virginia, 1998, und auch der vorläufig letzte Laureat Timothy Crow, Oxford, der den Preis beim 16. Weißenauer Schizophrenie-Symposium 2006 in Köln erhielt, ist wieder diesem illustren Kreis besonders bedeutender Schizophrenieforscher zuzurechnen [1] [2].

Zahlreiche Symposiumsbeiträge hatten es auch in der Vergangenheit schon verdient, über die jahrzehntelang fortgeführte Dokumentation des kompletten Symposiumsverlaufs in Kongressbänden hinaus einer breiteren psychiatrisch interessierten Leserschaft zugänglich gemacht zu werden. Diesem Anliegen lässt sich am besten durch eine Publikation ausgewählter Beiträge mit gemeinsamen thematischen Schwerpunkten in Supplement-Heften oder speziellen Veröffentlichungsreihen geeigneter deutsch- oder englischsprachiger Fachzeitschriften Rechnung tragen. Dementsprechend fasst das hier vorgelegte Supplement-Heft der „Fortschritte” 7 Beiträge von ausgewiesenen deutschen Experten für die Aufklärung komplexer psychischer Funktionen und psychopathologischer Phänomene durch moderne bildgebende Methoden mit 2 grundlegenden Referaten der Begründer der Weißenauer Schizophrenie-Symposien, Gerd Huber und Gisela Gross, sowie einem ebenfalls auf Psychopathologie und Brain Imaging ausgerichteten Beitrag von Ralf Erkwoh zusammen, der im Jahre 2004 neben Detlef von Zerssen, München, einer der beiden Kurt Schneider-Preisträger war.

Lassen sich grundlegende psychische Funktionen wie Gedächtnis oder Emotionalität mit regionalen Hirnaktivitäten in Verbindung bringen? Können auch komplexe Veränderungen des Erlebens und Verhaltens wie schizophrene Denk-, Ich-Störungen oder Halluzinationen durch zerebrale Bildgebung unverkürzt ohne methodologischen Reduktionismus auf Hirnanomalien zurückgeführt werden? In welchem Verhältnis stehen Psychopathologie und Neurobiologie der Schizophrenie zueinander und was ist nach neuestem Entwicklungsstand gemeint, wenn wir heute Schizophrenie als Hirnstörung mit lange vor die Erstmanifestation zurückreichenden Entwicklungsregelmäßigkeiten begreifen? Inwieweit kann funktionelle Bildgebung auch zur pathophysiologischen Aufklärung der oft komorbid auftretenden stoffgebundenen Abhängigkeitserkrankungen beitragen? Dies sind, kurz gesagt, die Fragen, die in diesem Band folgerichtig nacheinander beantwortet werden. Sie folgen genau der Logik, die für die heutige Erforschung der Korrelationsverhältnisse zwischen Psyche und Gehirn bezeichnet ist. Der Fokus der Fragestellung wird Schritt für Schritt von normalpsychologischen kognitiven und affektiven Funktionen über komplexe psychopathologische Phänomene bis hin zu umschriebenen Krankheitsprozessen verengt. Wenn wir in der Psychiatrie und den klinischen Neurowissenschaften Symptome von psychischen Erkrankungen pathophysiologisch aufklären und behandelbar machen wollen, müssen wir zuvor verstehen, wie die hirnstrukturellen und hirnfunktionellen Korrelate normalpsychologischen Erlebens und Verhaltens beschaffen sind und welchen Veränderungen sie unterliegen, wenn psychopathologische Phänomene entstehen.

Im Hinblick auf die bedeutsamen Fragestellungen, die in den Beiträgen aufgegriffen, und die aufschlussreichen Antworten, die durch sie gegeben werden, verspricht die Lektüre sicherlich allen Interessierten Gewinn, so dass man dem Heft nur eine breite Leserschaft wünschen kann.

Für die Weißenauer Arbeitsgemeinschaft und die Symposiumsveranstalter

Joachim Klosterkötter, Köln

Literatur

  • 1 Huber G. Laudatio Kurt Schneider Scientific Award.  Neurology, Psychiatry and Brain Research. 2007;  14 83-86
  • 2 Crow T J. Schneider's Nuclear Symptoms as the Key to the Structure of Language.  Neurology, Psychiatry and Brain Research. 2007;  14 87-94

Univ.-Prof. Dr. Joachim Klosterkötter

Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Kerpener Straße 62

50924 Köln

Email: joachim.klosterkoetter@uk-koeln.de

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