Klin Monbl Augenheilkd 1995; 207(8): 130-131
DOI: 10.1055/s-2008-1035360
Diagnostisches Forum

© 1995 F. Enke Verlag Stuttgart

Keratitis punctata superficialis durch Selbstbeschädigung

Superficial punctata Keratitis as Result of Self-injuryPeter Heinz, Stefan Bodanowitz, Lutz Hesse
  • Medizinisches Zentrum für Augenheilkunde der Philipps-Universität Marburg (Geschäftsführender Direktor: Prof. Dr. Peter Kroll)
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Publication History

Publication Date:
08 February 2008 (online)

Summary

Patient A 57-year-old patient with diabetes mellitus presented with therapy-resistant superficial punctate keratitis in his only eye. Finally self-injury was suspected. After unsuccessful medical treatment of three weeks' duration the disease could be healed promptly after application of an eyepad; the patient admitted self-manipulation.

Conclusion In all patients with ocular pathology of uncertain origin. especially in corneal lesions, self-inflicted injury should be part of the diagnostic consideration.

Zusammenfassung

Hintergrund Eigenmanipulation am Auge tritt gewöhnlich nur im Rahmen schwerer neurologischer oder psychiatrischer Krankheitsbilder auf. Als typisch gilt die Auto-Enukleation bei akuten Psychosen wie Schizophrenie, endogene Depression oder bei Drogen-induzierten Halluzinationen (2, 4, 6, 7). Ferner gibt es Einzelberichte über Selbstbeschädigung in Verbindung mit Autismus (1). Epilepsien (4). kongenitaler kornealer Anästhesie (6) und Guilles de la Tourette-Syndrom (3). Die folgende Kasuistik will darauf hinweisen, dass bei ätiologisch unklaren Krankheitsbildern auch dann eine Eigenmanipulation ins diagnostische Kalkül einbezogen werden muß, wenn der Patient zunächst keinerlei offensichtliche psychiatrische Auffälligkeiten zeigt.

Patient Ein 57jähriger Patient mit Diabetes mellitus wurde Anfang Oktober 1994 wegen einer therapieresistenten Keratitis punctata superficialis des rechten Auges, die seit drei Wochen bestand, stationär eingewiesen. Im August 1994 war an diesem Auge eine extrakapsuläre Kataraktextraktion mit Implantation einer Hinterkammerlinse durchgeführt worden. Am linken Auge hatten wir im Juni 1994 bei Phthisis dolorosa (Zustand nach viermaliger Zyklokryokoagulation wegen hämorrhagischem Sekundärglaukom bei diabetischer Retinopathie) eine Evisceratio vorgenommen. Bei Aufnahme betrug der Visus OD 0.08, Tränenfilmaufriß, Schirmer-Test, Ocular-ferning-Test, Impressionszytologie der Bindehaut und Prüfung der Hornhautsensibilität ergaben Normalbefunde. Biomikroskopisch zeigte sich eine intensive konfluierende Epithelstippung in der unteren Hornhauthälfte (Abb. 1). Über vierzehn Tage führte eine intensive Hornhautpflege mit re-epithelisierenden Augensalben und Tränenersatzmitteln nicht zu einer entscheidenden Befundbesserung. Der Verdacht auf Eigenmanipulation ergab sich einerseits daraus, dass der Hornhautbefund ätiologisch nicht einzuordnen war; zum anderen kontrastierte der ausbleibende Therapieerfolg zu dem offensichtlichen Wohlbefinden des Patienten, der den Zustand seines letzten Auges außerordentlich gelassen beurteilte. Um den Verdacht zu erhärten, wurde über Nacht ein mit zusätzlichen Pflastern gesicherter Uhrglasverband angelegt. Morgens war das Hornhautepithel geschlossen. Zunächst bestritt der Patient eine Eigenmanipulation. Schließlich war zu erfahren, dass er während und nach Applikation von Lokaltherapeutika und beim Waschen heftig am Auge gerieben hatte. In weiteren Gesprächen konnte eine schwierige berufliche und familiäre Konfliktsituation eruiert werden, die den Patienten die Geborgenheit einer stationären Krankenhausbehandlung suchen ließ.

Der Hornhautbefund am rechten Auge wurde bisher vier Monate nachbeobachtet und blieb völlig unauffällig (Abb. 2). Wir leiteten eine psychotherapeutische Behandlung am Wohnort ein.

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