Klin Monbl Augenheilkd 1996; 209(8/09): 171-173
DOI: 10.1055/s-2008-1035299
© 1996 F. Enke Verlag Stuttgart

Willkürliche Beeinflußbarkeit des einseitigen Strabismus sursoadductorius*

Voluntary Influence on Strabismus with Unilateral Elevation in AdductionGuntram Kommerell1 , Sonia Mattheus1 , Hermann Mühlendyck2
  • 1Abteilung Neuroophthalmologie und Schielbehandlung, Universitäts-Augenklinik Freiburg
  • 2Abteilung Strabologie und Neuroophthalmologie, Universitäts-Augenklinik Göttingen
* Nach einem Vortrag, gehalten beim Arbeitskreis Strabologie und Neuroophthalmologie, Wiesbaden 1994. Es war über den 1. Patienten berichtet worden. In der Diskussion teilte H. Mühlendyck mit, dass er einen ähnlichen Fall kenne. Dieser wurde als 2. Patient in den vorliegenden Artikel aufgenommen.
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Publication History

Manuskript erstmalig eingereicht am 06.02.1996

in der vorliegenden Form angenommen

Publication Date:
24 March 2008 (online)

Zusammenfassung

Hintergrund Unter einem einseitigen Strabismus sursoadductorius versteht man ein Aufwärtsschielen des adduzierten Auges unbekannter, nichtparetischer Ursache. Ein willkürlicher Einfluß auf den Strabismus sursoadductorius, der auch unter Ausschluß der Fusion zur Geltung kommt, ist nach unserer Kenntnis bisher nicht beschrieben worden.

Patienten Zwei Patienten mit rechtsseitigem Strabismus sursoadductorius, ein 21jähriger und ein 28jähriger Mann, konnten die Größe ihres Schielwinkels willkürlich stark beeinflussen, auch unter Ausschluß des Binokularsehens. Der erste Patient konnte mit einem Dunkelrotglas vor dem fixierenden linken Auge in dessen Mittelposition zwischen Höhenabweichungen des rechten Auges von 4 und 20° auf Kommando jederzeit wechseln, der zweite Patient zwischen 0 und 15°. Mit freien Augen verfügten beide Patienten über Binokularsehen, das nur im Linksblick dekompensierte.

Schlußfolgerungen Wir vermuten, dass unsere 2 Patienten ein „motorisches Erinnerungsmuster” an die für das Binokularsehen günstige Augenmuskelinnervation gespeichert hatten, das sie nach freier Wahl abrufen oder mißachten konnten. Generell weisen unsere Beobachtungen darauf hin, dass die bei Strabismus sursoadductorius häufigen Schielwinkelschwankungen durch variable Aktivierung eines solchen motorischen Erinnerungsmusters zu erklären sein könnten, auch wenn dieses Erinnerungsmuster wahrscheinlich nur ausnahmsweise der Willkür zugänglich ist.

Summary

Background Strabismus with unilateral elevation in adduction is an upward deviation of the adducting eye of unknown, not necessarily paretic origin. The term “old trochlear palsy” may be erroneous since the hypertropia is not necessarily larger in downward gaze and a causative lesion can usually not be identified. We describe here a marked voluntary influence on unilateral elevation in adduction, in situations that exclude binocular fusion.

Patients Two patients with an elevation in adduction of the right eye and a positive head-tilt phenomenon, a 21-year-old and a 28-year-old man, were able to vary their vertical angle of squint at will. Even under artificial conditions that exclude binocular fusion (alternate cover test, dark-red glass test) could they change their right-over-left deviation. Patient 1 between 4 and 20 degrees and Patient 2 between 0 and 15 degrees. Under natural viewing conditions both patients had binocular vision with stereopsis that decompensated only when they looked to the left.

Conclusions We assume that our two patients had a “motor memory” that stores the muscle innervation for parallel eyes, i.e. the innervation suitable for binocular vision, and that the patients made use of or neglected this memory at will. In general, our observations suggest that a variable recourse to such a motor memory explains why, in patients with unilateral elevation in adduction, the angle of squint often changes. A voluntary access to this memory may, however, be exceptional.

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