Zeitschrift für Phytotherapie 2007; 28(6): 304-310
DOI: 10.1055/s-2008-1032221
Porträt einer Arzneipflanze

© Sonntag Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Die Erdbeere – Waldfrucht, Teedroge und Symbol in der Kunst

Wolfgang Schiedermair
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Publication Date:
18 June 2008 (online)

Zusammenfassung

Als Arzneipflanze war die Erdbeere in den vergangenen Jahrhunderten zwar bekannt, wurde aber vermutlich wenig verwendet. Heute sind die Blätter reine Fülldroge, die Wurzel ist obsolet und die Früchte spielen bestenfalls in der Lebensmittelteeherstellung als Geschmackskorrigens eine Rolle. Dafür sind andere Belege umso auffälliger; die Erdbeere erscheint nicht so sehr wegen ihrer medizinischen Verwendung, sondern wegen ihrer typischen Erscheinung in Volksglauben und Kunst regelmäßig. Vor allem die Zueignung zu Maria ist offensichtlich, wenngleich sie auch als himmlische Speise der Seligen und Dämonen abwehrendes Mittel mit erotischer Konnotation angesehen wurde. Die Erdbeere ist ein schönes Exempel dafür, dass eine Pflanze nicht nur Objekt von Botanik, Medizin und Pharmazie, sondern auch der Kulturgeschichte sein kann.

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1 http://www2.aponet.at/default.pxml?kap=2452&mod=ed&lang=de [20. 9. 2007]; der bekannteste Fall einer Erdbeerallergie war wohl der englische König Richard III (1452–1485), der den Überbringer der Früchte wegen versuchten Giftmordes hinrichten ließ.

2 zur Bestimmung der meisten Pflanzen sei neben ([34]) die Altmeisterin der kunsthistorischen Botanik zitiert: ([3]), S. 20–43, hier: S. 20 und Tafel IX; ergänzend dazu: ([31]).

3 Meister Bertram, Grabower Altar (1379–1383), hier: rechter innerer Flügel; Hamburg, Kunsthalle.

4 s. dazu ([20]) mit einem Vergleich der Zeitgenossen Cranachs, Albrecht Dürer und Hans Baldung gen. Grien.

5 ohne spezielle florale Elemente: Lucas Cranach d. Ä., Der Jungbrunnen, 1546, Gemäldegalerie, Berlin-Tiergarten; als erdbeerreiches Beispiel, allerdings ohne die typische Badeszene: Hans Holbein d. Ä., Der Lebensbrunnen, 1519, Museu Nacional de Arte Antigo, Lissabon.

6 zur vielfältigen Rolle des Geruchs siehe etwa ([9]).

Dr. Wolfgang Schiedermair

W.-v.-d.-Vogelweide-Str. 1

97074 Würzburg

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