intensiv 2009; 17(2): 96-97
DOI: 10.1055/s-2008-1027928
Literaturkommentar

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Sollen schwer Verletzte mit einem Pulmonalarterienkatheter versorgt werden?

Hardy-Thorsten Panknin
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Publication Date:
16 March 2009 (online)

Pulmonalarterienkatheter (PAC) werden bei hämodynamisch instabilen internistischen und chirurgischen Intensivpatienten zur Kontrolle kardialer Funktionsparameter und zur Steuerung der Katecholamintherapie eingesetzt. Obwohl damit ein fortlaufendes Monitoring möglich wird, kann die Anlage eines PAC auch mit Risiken verbunden sein. Bei einer Insertion unter Notfallbedingungen kann es zu Fehlpunktionen mit mechanischen Komplikationen, wie beispielsweise einem Hämato- oder Pneumothorax kommen. Bei längerer Liegedauer können Thrombosierungen großer Venen und/oder eine Infektion auftreten. Es ist daher meist eine Frage der subjektiven ärztlichen Einschätzung und des jeweiligen Klinikstandards, ob in einer individuellen klinischen Situation ein PAC gelegt wird oder nicht. Bei Polytrauma-Patienten im Schock stellt sich die Frage, ab welchem Schweregrad eines Schocks bzw. des Traumas die Versorgung mit einem PAC die Überlebenswahrscheinlichkeit verbessert.

In einer kürzlich publizierten Studie aus der chirurgischen Universitätsklinik von Texas, USA, wurde die Datenbank der US-amerikanischen Chirurgengesellschaft genutzt, um die Patientendaten aus 268 Traumazentren abzufragen. Bei allen in die Studie eingeschlossenen Zentren handelte sich um Zentren der Stufe I, in denen Patienten mit einem frischen Polytrauma erstversorgt werden. Die Studie verwendete Daten aus dem Zeitraum 1994 – 2001. In die Auswertung eingeschlossen wurden Patienten, die die ersten 48 h überlebt hatten, zwischen 16 und 90 Jahre alt waren und von denen ein kompletter Datensatz, unter anderem mit Angaben zum initialen Säure/Basenstatus, dem Verletzungsmuster, dem Verletzungs-Score (Injury Severity Score, ISS) und zu den Begleiterkrankungen vorlag. Diese Einschlusskriterien erfüllten 51 379 Patienten.

Patienten, die initial einen PAC erhielten (n = 1933), wurden in einer ersten Analyse denjenigen gegenübergestellt, die ohne PAC behandelt wurden (n = 51 379). [Tab. 1] zeigt die Unterschiede zwischen diesen beiden Gruppen. Patienten mit PAC waren im Mittel 6 Jahre älter, hatten einen erheblich höheren initialen Verletzungs-Score und eine ausgeprägtere metabolische Azidose. Bei den PAC-Patienten lagen auch häufiger kardiale Grundkrankheiten vor, während pulmonale Vorerkrankungen oder ein Diabetes mellitus häufiger in der Gruppe ohne PAC vorkamen. Patienten mit spinalen, abdominellen, Brustraum- und Kopfverletzungen wurden häufiger mit einem PAC versorgt als Patienten mit anderen Verletzungsarten. Die Mortalität lag bei Patienten mit PAC bei 29,7 % im Vergleich zu 9,8 % bei Patienten ohne PAC (p < 0,001). Die höhere Erkrankungsschwere der mit einem PAC versorgten Patienten wurde auch im weiteren klinischen Behandlungsverlauf erkennbar. Patienten mit einem PAC entwickelten signifikant häufiger ein akutes Lungenversagen (acute respiratory distress syndrome, ARDS), ein Nierenversagen oder einen Myokardinfarkt ([Tab. 1]).

Tab. 1 Patientencharakteristika (PAC = Pulmonalarterienkatheter; ARDS = akutes Lungenversagen). Variable Patienten mit PAC Patienten ohne PAC p-Wert demografische Daten (n = 53 312) Anzahl Patienten 1 933 51 379 – Alter (Jahre) 45,8 ± 21,3 39,5 ± 18,3 < 0,001 Verletzungs-Score (Injury Severity Score, ISS) 28,4 ± 13,5 15,9 ± 12,3 < 0,001 initiales Basendefizit –5,3 ± 6,5 –1,4 ± 8,0 < 0,001 Verletzungscharakter (n = 47.654) 1 – – – n 1 829 45 825 – spinale Verletzung, % (n = 8 138) 24,9 16,8 < 0,001 abdominelle Verletzung, % (n = 12 134) 39,1 24,9 < 0,001 Kopfverletzung, % (n = 21 101) 60,4 43,6 < 0,001 Thoraxverletzung, % (n = 18 608) 65,3 38,0 < 0,001 vorbestehende Erkrankungen (n = 16 722) 1 n 1 574 15 148 Herzerkrankung, % (n = 13 209) 96,1 77,2 < 0,001 Diabetes mellitus, % (n = 1 252)  4,8  7,8 < 0,001 Lungenerkrankung, % (n = 993)  4,2  6,1 0,002 Übergewicht, % (n = 258)  1,1  1,6 0,177 Lebererkrankung, % (n = 126)  0,6  0,8 0,569 Nierenerkrankung, % (n = 46)  0,2  0,3 0,501 Komplikationen (n = 8 288) 1 n 1 000 7 288 Infektion, % (n = 4 661) 62,3 55,4 < 0,001 Pneumonie, % (n = 3 760) 56,9 43,8 < 0,001 ARDS, % (n = 1 089) 22,3 11,9 < 0,001 Nierenversagen, % (n = 587) 13,0  6,3 < 0,001 Myokardinfarkt, % (n = 559)  8,2  6,5 0,05 Venenthrombose/Embolie, % (n = 507)  5,4  5,2 0,313 Mortalität, % (n = 53.312) 29,7  9,8 < 0,001 1Die Zahlen hinter dem jeweiligen Variable bedeuten, dass aus dem Gesamtkollektiv von 53 312 Fällen nur die jeweils angegebene Zahl von Fällen ausgewertet werden konnte, da bei den restlichen Fällen dieser Parameter nicht ausreichend dokumentiert war. Die demografischen Daten und die Mortalität waren für allen Patienten auswertbar.

Durch Stratifizierung des Patientenkollektivs nach den Kriterien Alter, Verletzungs-Score und Ausprägung der initialen Azidose wurden mehrere Untergruppen von Patienten gebildet, unter denen wiederum die Mortalität verglichen wurde. In 3 dieser Untergruppen zeigte sich eine signifikant geringere Mortalität für Patienten, die einen PAC erhalten hatten. Es waren die Patienten mit einem Basendefizit von mehr als –11 mval/L, einem Verletzungs-Score zwischen 25 und 75 sowie > 60-jährige Patienten mit mäßig ausgeprägter Azidose (Basendefizit –6 bis –10). [Abb. 1] verdeutlicht, dass in diesen Untergruppen eine bis zu 25 %ige Senkung der Mortalitätsrate mit der Verwendung eines PAC assoziiert war.

Abb. 1 Reduzierte Mortalität bei Verwendung eines PAC in bestimmten Untergruppen von Patienten mit schwerem Trauma. Gruppe 1: Alter 16 – 40 J., Basendefizit < –11 mval/L, ISS 25 – 75; Gruppe 2: Alter 41 – 60 J., sonst wie Gruppe 1; Gruppe 3: Alter 61 – 90 J., sonst wie Gruppe 1; Gruppe 4: Alter 61 – 90 J., Basendefizit –6 bis –10 mval/L, ISS 25 – 75. An den mit * bezeichneten Säulen war der Unterschied der Mortalität signifikant (p < 0,05).

Literatur

  • 1 Friese R S. et al . Pumonary artery catheter use is associated with reduced mortality in severely injured patients: a national trauma data bank analysis of 53,312 patients.  Crit Care Med. 2006;  34 1597-1601

Hardy-Thorsten Panknin

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