manuelletherapie 2008; 12(4): 158-160
DOI: 10.1055/s-2008-1027755
Kongressbericht

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

9. IFOMT-Kongress vom 8.–13.6.2008 in Rotterdam

A. Gattermeier, H. Herrewijn, J. Langendoen, F. Morrison
Further Information

Publication History

Publication Date:
04 September 2008 (online)

Rotterdam bot die ideale Umgebung für den Kongress der IFOMT (International Federation of Orthopaedic Manipulative Therapists). Die vielen innovativen Ideen und architektonischen Highlights konnten die Kongressbesucher unter anderem am Mittwochnachmittag erleben und bewundern.

Die Organisation war gut und flexibel mit wunderbarer Verpflegung, großzügigen Räumlichkeiten und einem spannenden Programm.

Das Leitthema des Kongresses war Connecting „Science” to the Quality of Life. Unter den rund 1500 Besuchern aus etwa 50 Ländern war die Schweiz mit 65 Teilnehmern sehr gut vertreten. Vom Unispital Zürich nahm sogar eine ganze Physiotherapeuten-Abschlussklasse teil.

Zu den vielen Höhepunkten dieser Woche zählte unter anderem der Vortrag von Maurits von Tulder Wichtigkeit von RCTs und Systematic Reviews für die evidenzbasierte Praxis. Nach seiner Ansicht ist und bleibt das Implementieren von Studienresultaten in die praktische Arbeit die Herausforderung der Zukunft.

Lorimer Moseley versteht es immer wieder, sein sublimes Fachwissen klar, humorvoll und mit Relevanz für die Praxis zu präsentieren. Deborah Falla zeigte mit ihren Studien wunderbar, wie die Halsmuskulatur normalerweise aktiviert wird, wie sich dies bei chronischen Nackenschmerzen verändert und welche Relevanz ihre Ergebnisse für die klinische Arbeit haben.

Zudem gab es natürlich noch sehr viele weitere interessante Referate, wie z. B. von Paul Hodges, Gwen Jull, Rob de Bie, Bill Vicenzino, Michael Shacklock und Peter Osmotherley.

In den Pausen stellten verschiedene Autoren in interaktiven Poster-Präsentationen ihre Master- und PhD-Arbeiten vor.

Die hoch interessante VBI-Session war eine kritische und konstruktive, interkontinentale und interprofessionelle (Sidney Rubinstein ist Chiropraktiker) Auseinandersetzung und Zusammenarbeit bei der Entwicklung von Guidelines für die HWS-Manipulation.

Aufschlussreich war auch zu hören, wie das Ausbildungssystem in anderen Ländern aufgebaut ist und wie dort die Entwicklungen vorangehen. So haben z. B. Holland und Norwegen seit einiger Zeit den direkten Zugang zum Physiotherapeuten ohne ärztliche Verordnung erfolgreich implementiert. Ist das auch eine Zukunftsvision für uns?

Dieses Jahr wurde eine neue IFOMT-Präsidentin gewählt: Die nächsten 4 Jahre hat Annalie Basson aus Südafrika dieses Amt inne. Der bisherige Präsident Michael Ritchie (Kanada) sowie der bisherige Executive Committee Member Duncan Reid (Neuseeland; ab jetzt Vizepräsident) wurden zusammen mit Eric Thoomes (Niederlande) und Kenneth Olsen (USA) in das Executive Committee gewählt. Herzliche Gratulation an alle Gewählten.

Als neue Member Organisations traten Japan und Irland der IFOMT bei.

Die allgemeine Tendenz beim Kongress war: Wir sind auf einem guten Weg, die Wirksamkeit von Physio- und Manualtherapie mit wissenschaftlichen Studien zu belegen. Obwohl viel internationale Zusammenarbeit stattfindet und gute klinische Guidelines entwickelt wurden, sind weitere Bemühungen nötig.

Vieles was bis jetzt gemessen oder untersucht wurde, gilt es zu spezifizieren. Dabei erhebt sich die Frage, ob wir wirklich das messen, was wir messen wollen.

Einige Referenten plädierten bei der Erstellung verschiedener Studien für eine bessere Abstufung in Subgruppen. Auf diesem Gebiet bleibt in den nächsten Jahren noch viel zu tun.

In allen Bereichen (Arbeit des IFOMT-Vorstands, Standard Komitees, Organisation der Kongresse, Entwicklung der einzelnen Member Organisations) war die zunehmende Professionalisierung und das Bemühen aller Verantwortlichen festzustellen, sowohl die fachliche als auch organisatorische Kompetenz weiterzuentwickeln. Die Vorträge repräsentierten die praktische Umsetzung der Notwendigkeit des physiotherapeutischen Berufsstands nach wissenschaftlichem Nachweis der Fachkompetenz. Besonders positiv war die erstmals angesetzte Veranstaltung für Instruktoren, wobei allerdings mehr interaktive Teile und größerer Freiraum für Diskussionen eingebaut werden sollten. Trotz des insgesamt positiven Eindrucks der Veranstaltung, sollen folgende kritische Anmerkungen nicht unausgesprochen bleiben:

Wo waren die Vorträge, die manuelle Fähigkeiten – die ureigenste Fähigkeit der Manualtherapeuten – demonstrieren und analysieren? Die meisten Referate nannten nur Zahlen und statistische Ergebnisse und erwähnten nur am Rande die verwendeten Techniken, die für die Teilnehmer einen praktischen Wert bei der Arbeit am Patienten haben sollten. Viele Präsentationen untersuchten zwar wissenschaftlich theoretische Erklärungsmodelle (z. B. für chronische Schmerzmechanismen), verfolgten jedoch nicht in ausreichendem Maß die therapeutischen Konsequenzen. Auch hier fehlte der praktische Nutzen für die tägliche Arbeit. Einige der Key-Speakers machten es sich vielleicht ein bisschen einfach, indem sie mit hohem Tempo von reinen Schriftfolien ablasen, ohne die einfachsten Richtlinien der Präsentationstechnik zu beachten. Man sollte sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen! (So war z. B. der Vortrag von Mark Jones eine große Enttäuschung, das Referat von Erl Pettman dagegen sehr positiv). Leider nahmen weder Referenten noch Organisatoren Rücksicht darauf, dass Zuhörer mit nicht englischer Muttersprache ab einem bestimmten Sprechtempo kaum oder sogar gar nicht den Vorträgen folgen können. Hier sollte auch von Organisationsseite bei den Referenten interveniert werden.

Neben aller Wichtigkeit der Wissenschaft darf das praktische Arbeiten und dessen Weiterentwicklung nicht vergessen werden. Für viele Teilnehmer liegt die Motivation für den Kongressbesuch im praktischen Nutzen. Dies sollte auch bei der Konzeption der nächsten Kongresse berücksichtigt werden.

Insgesamt war der IFOMT-Kongress ohne Zweifel ein Erfolg, der auch in Zukunft gewährleistet werden sollte. Freuen wir uns auf den nächsten IFOMT-Kongress 2012 im kanadischen Québec, bei dem wieder die neuesten Studien und Richtungen in der Manualtherapie für die kommenden 4 Jahre präsentiert werden.

John Langendoen

Email: langendoen@t-online.de

    >