manuelletherapie 2008; 12(2): 45-46
DOI: 10.1055/s-2008-1027385
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kongresse - To Go Or Not to Go

T. Davies-Knorr1
  • 1Klinik und Poliklinik für Physikalische Medizin und Rehabilitation, Universitätsklinikum München
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
25. April 2008 (online)

Der Stellenwert der Forschung und das Schaffen von Evidenz im Bereich Physiotherapie steigen stetig an. Im deutschsprachigen Raum nehmen wir immer mehr an diesem Prozess teil und obwohl noch einiges zu tun bleibt, können wir mit Stolz auf die Entwicklungen der letzten 10 Jahre zurückblicken. Damit wir uns aber im umkämpften Gesundheitsmarkt positionieren können, müssen wir uns nicht nur mit der aktuellen Evidenzlage auseinandersetzen, sondern dem internationalen Vergleich stellen und über den deutschsprachigen Tellerrand hinaus schauen.

Für Kliniker wie mich ist es schwierig, mit den internationalen Fortschritten und der überwältigenden Menge neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und Informationen Schritt zu halten, sie abzuwägen und die beste Evidenz in den klinischen Alltag zu integrieren. Eine Unterstützung sind Zeitschriften wie die manuelletherapie, die aktuelle wissenschaftliche Informationen präsentieren. Inzwischen gibt es eine Anzahl guter deutschsprachiger Fachzeitschriften (mit wissenschaftlichem Anspruch) für Physiotherapeuten. Einen weiteren Beitrag liefern Fort- und Weiterbildungskurse.

Eine andere - oft unterschätzte Möglichkeit - einen Überblick über neuere Entwicklungen zu bekommen, bieten Kongresse. Ein Kongressbesuch hat zudem einige zusätzliche Vorteile. Neben dem fachlichen Inhalt spielt die Vernetzung mit Kollegen auch anderer Berufsrichtungen eine wichtige Nebenrolle: Leute kennenlernen oder wieder treffen, der Austausch in den Pausen oder bei den von den meisten Kongressen stattfindenden sozialen Events und die Möglichkeit, mit Kollegen persönlich über ihre Veröffentlichungen zu diskutieren. Der Besuch von Fachausstellungen gibt neue Ideen, es wird Berufspolitik betrieben, schließlich wurde die Idee für die manuelletherapie auch während eines Kongresses geboren!

Wie Fachzeitschriften hat auch jeder Kongress seine Schwerpunkte und spezifischen Inhalte. Die Teilnehmer müssen bei der Auswahl ihre eigenen Ziele und Interessen sorgfältig mit denen des Kongresses vergleichen.

In diesem Jahr finden einige interessante Kongresse statt, teilweise sogar gleichzeitig. Der 4-jährliche Kongress der IFOMT (International Federation of Orthopaedic Manipulative Therapists) Connecting Science to Quality of Life in Rotterdam vom 9. bis 13 Juni und der 4. physiokongress vom 12. bis 14. Juni in Fellbach bei Stuttgart stellen 2 wichtige Beispiele mit unterschiedlichen Zielen dar.

Der IFOMT-Kongress ist der wichtigste internationale Kongress für Manualtherapeuten und nach 2000 in Perth/Australien und 2004 in Kapstadt/Südafrika findet er wieder in Europa statt. Ein Besuch in Rotterdam kombiniert mit der Teilnahme an diesem aufregenden Kongress bietet sich an. Man muss sich nur die Namen der Key-Speakers anschauen, um zu sehen, dass uns ein spannender Kongress erwartet. Dort werden uns viele Autoren der manuelletherapie, wie z. B. Lorimer Moseley, Deborah Falla, Paul Hodges, Karim Kahn, Jill Cook, Bill Vincenzino, Louis Gifford, Mark Jones und Alison Rushton, aber auch junge, noch unbekannte Kollegen begegnen. Für den Mittwochnachmittag (11. Juni) sind mehrere Ausflüge und Events geplant -, eine Chance, in entspannter Atmosphäre Kontakt zu knüpfen. Am Samstag (7. Juni) findet ein Treffen für Manuelle-Therapie-Lehrkräfte mit der Möglichkeit zum Austausch mit Kollegen aus der ganzen Welt statt. Ich freue mich auf einen interessanten Tag, insbesondere bezüglich der Einführung des überarbeiteten Standards Document bzw. Curriculum der IFOMT und der zukünftigen Notwendigkeit für externes Monitoring der verschiedenen IFOMT-anerkannten Ausbildungen.

Viele Kollegen werden die Möglichkeit nutzen, an einem der verschiedenen Prä- und Post-Kongress-Workshops und -Kurse teilzunehmen.

Der 4. physiokongress mit veränderter Struktur hat eine neue Heimat in Süddeutschland gefunden und findet erstmals in Stuttgart statt. Seine Zielgruppe umfasst alle Physiotherapeuten. Zu den Schwerpunktthemen Kommunikation, Gesundheitsförderung und Prävention, Morbus Parkinson und Langzeitpatient gibt es je 2 in die Themen einführende Keynote-Referate -, sicher besondere Programm-Highlights. Darunter finden sich bestimmt mehrere Beiträge, die für Manualtherapeuten von Interesse sind. Beim sehr beliebten Neurowissenschaftstag geht es 2008 um den Morbus Parkinson und die evidenzbasierte Physiotherapie bei Patienten mit dieser Erkrankung.

In über 40 Seminaren kann in Neues reingeschnuppert, Wissen vertieft und Rat geholt werden. Mit unterschiedlichen Themen wie Gehen verstehen, Gesprächführung, Wirtschaftliche Ergebnisse messen sowie Studiert und wie geht es weiter? ist der Bogen entsprechend der Bedürfnisse der Zielgruppe weit gespannt.

Die Veranstalter freuen sich über die überwältigende Reaktion auf ihren Call for Abstracts. Ganz offensichtlich suchen viele Kollegen eine Plattform für ihre Arbeit und Forschung und wünschen sich die Diskussion ihrer Ergebnisse mit Kollegen.

Der physiokongress soll aber auch wieder ein Podium sein, auf dem man sich trifft, austauscht, vernetzt, bei der Fachausstellung informiert und auf der physioparty zusammen feiert. Verpassen Sie also die Party nicht!

Die Teilnahme an Kongressen, der Besuch von Fort- und Weiterbildungen und das Lesen von Fachzeitschriften erweitern unsere Wissensbasis und optimieren damit unser Clinical Reasoning. Sie sind alle Teil des lebenslangen Lernprozesses (Life-long learning), der in einem sich ständig weiterentwickelnden und dynamischen Beruf wie der Physiotherapie unabdingbar ist. Besser informierte und topaktuelle Physiotherapeuten verschaffen sich eine gute Ausgangsposition für künftige Herausforderungen in einer reformbereiten Gesundheitspolitik und in einem sich stark verändernden Arbeitsumfeld:

Nun wird offen über den freien Zugang zur Physiotherapie (Erstkontakt, ohne ärztliche Verordnung) in Deutschland gesprochen. Die Kostenträger überlegen sich neue Modelle und könnten zum Beispiel zukünftig auf die Idee kommen, Einzelverträge mit Heilmittelerbringern abzuschließen, so wie es im Hilfsmittelbereich bereits gang und gäbe ist. Der Ausbildungsnachteil in Deutschland kann durch eine internationale Perspektive teilweise kompensiert werden. Der Kontakt zu anderen Berufsgruppen steht auf festeren Füßen. Unser Auftritt gegenüber unseren Patienten wird sicherer, auch im immer größer werdenden Selbstzahlerbereich.

Die Akademisierung der Physiotherapie kann einen Schritt in Richtung intensivere Auseinandersetzung mit der Evidenzlage sein, aber man kann auch ohne Bachelor-Abschluss evidenzgestützte Therapie anbieten und neueste Erkenntnisse in den Clinical-Reasoning-Prozess integrieren. Also es geht uns alle an!

Besuchen Sie doch einen Kongress - es macht Spaß!

P.S. Weitere Informationen und Anmeldungsformulare für die beiden oben genannten Kongresse finden sich auf den entsprechenden Websites (www.ifomt2008.nl bzw. www.thieme.de/physioonline/physiokongress) oder im Kongresskalender dieser Ausgabe.

Trisha Davies-Knorr, MCSP, PT, OMT-DVMT

Herausgeberin, Klinik und Poliklinik für Physikalische Medizin und Rehabilitation, Universitätsklinikum München

Ziemssenstr. 1

80336 München

eMail: Trisha.Davies-Knorr@imta.ch

eMail: Patricia.Davies-Knorr@med.uni-munechen.de

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