Laryngorhinootologie 1990; 69(9): 454-459
DOI: 10.1055/s-2007-998229
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Zum Auftreten epithelialer Neubildungen im Kopf-Hals-Bereich bei Non-Hodgkin-Lymphomen

Squamous-Cell Carcinomas and Basal-Cell Carcinomas of the Head and Neck Area in Patients with Non-Hodgkin's LymphomasG. E. Diehl, G. Grevers, E. Kastenbauer
  • Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohren-Kranke der Ludwig-Maximilians-Universität München (Direktor: Prof. Dr. med. E. Kastenbauer)
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
29. Februar 2008 (online)

Zusammenfassung

Patienten, die an einer Immunschwäche leiden, haben ein deutlich erhöhtes Risiko an malignen Tumoren zu erkranken. Diese Problematik wird am Beispiel eines 70jährigen Patienten dargestellt, bei dem innerhalb von 3 Jahren 19 Plattenepithelkarzinome und 9 Basaliome im Rahmen eines lymphoplasmozytoiden Immunozytoms entstanden.-Dieser Fall hat uns dazu veranlaßt, retrospektiv 100 Patienten zu untersuchen, bei denen in den Jahren 1980 bis 1988 ein malignes Non-Hodgkin-Lymphom diagnostiziert wurde. 15% dieser Patienten wiesen ein oder mehrere zusätzliche Tumoren im HNO-Bereich in Form von Plattenepithelkarzinomen oder Basaliomen auf. Die Altersverteilung reichte von 59 bis 79 Jahren mit einem mittleren Lebensalter von 71,7 Jahren. Mit einem Verhältnis von 11:4 waren die Männer nahezu dreimal häufiger als Frauen vertreten. Bei 93 % dieser Patienten bestanden ein oder mehrere Plattenepithelkarzinome. 36% hatten zusätzlich ein oder mehrere Basaliome. Bei 7% waren lediglich multiple Basaliome ohne zusätzliche Assoziation mit Plattenepithelkarzinomen aufgetreten. Das Verhältnis von Basaliomen zu Plattenepithelkarzinomen, das normalerweise bei 10:1 liegt, hatte sich nahezu umgekehrt und betrug 6:14. Die Plattenepithelkarzinome waren in je einem Fall in der Mundhöhle, an der Tonsille und im Hypopharynx lokalisiert. Die übrigen Plattenepithelkarzinome und die Basaliome waren im Bereich der Kopf- und Gesichtshaut, der Ohren, der Nase und der Lippen entstanden. Als Grunderkrankung lag in 13 Fällen ein malignes Non-Hodgkin-Lymphom vom niedrigen und in 2 Fällen eines vom hohen Malignitätsgrad vor. Die Plattenepithelkarzinome zeichneten sich klinisch durch ein besonders aggressives Verhalten aus. In 36 % traten Rezidive, in 43 % ein multiples Tumorwachstum und in 50 % Metastasen auf. Auch histologisch fand sich hierzu das entsprechende Korrelat. Die Plattenepithelkarzinome wiesen einen nur mäßigen bis geringen Differenzierungsgrad mit einem deutlichen Zellpolymorphismus, einer hohen mitotischen Aktivität und einer tiefen Gewebsinfiltration auf.-Gründe für eine erhöhte Tumorentstehungsrate liegen einerseits in einer Suppression der humoralen und zellulären Immunantwort durch die Erkrankung selbst oder durch eine immunsuppressive Therapie dieser Erkrankung. Andererseits können immunsuppressive oder zytotoxische Chemotherapeutika selbst eine karzinogene Wirkung besitzen. Auch die Reaktivierung onkogener Viren und eine Verstärkung sogenannter „Umweltkarzinogene” spielen ebenso wie eine chronische antigene Überstimulation und genetische Faktoren bei der Empfänglichkeit des Organismus für Neoplasien eine Rolle. Die vorgestellten Daten zeigen, dass immunsupprimierte Patienten einer regelmäßigen und engmaschigen Tumorvorsorge bedürfen, dass suspekte Gewebsveränderungen frühzeitig biopsiert werden müssen und dass entstandene Neoplasien einer aggressiven Behandlung zugeführt werden sollten.

Summary

There is an increased risk of malignancy in patients with genetically determined or acquired immunosuppression. The authors report a case of a 70-year-old patient with a lymphoplasmocytic immunocytoma who developed 19 squamous-cell carcinomas (SCC) and nine basal-cell carcinomas (BCC) over a three-year period. This was the reason to review 100 cases of malignant lymphomas for evidence of additional malignancies. Of these patients, 15 % had one or more SCC or BCC in the head and neck area. The age range was 59 to 79 years (mean, 71.7 years) and the male : female ratio 11:4. One or more SCC arose in 93 % of these patients, 36% developed an additional one or more BCC, and BCC alone occurred in 7%. The usual ratio of BCC:SCC is 10:1; in the authors' patients, by contrast, this ratio was 6:14. In 12 cases, SCC and BCC were located on the skin. The remaining cases of SCC developed in the oral mucosa, the tonsils and the hypopharynx. In 13 cases, low-grade malignant lymphomas were found and in two cases high-grade malignant lymphomas were found. The SCC were clinically aggressive. Thirty-six percent of the patients had recurrent lesions, 43% multiple neoplasms, and 50% metastases. Histologically, the SCC showed moderate to poor differentiation, a high degree of cellpolymorphism and mitotic activity, and deep tissue infiltration. There are several explanations for the increased incidence of neoplasms in patients with immunodeficiency disorders. The surveillance function of the immune system may be impaired due to the disease itself or due to the treatment for immunosuppression. Immunosuppressive and cytotoxic agents are potential carcinogens. Activation of oncogenic viruses, potentiation of environmental carcinogens, chronic antigenic stimulation, and genetic factors may be of importance. In patients with immunodeficiency disorders, frequent checkups, early biopsy of suspicious lesions, and aggressive management of possible tumors are recommended.

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