Abstract
This review deals with the opinions and findings of the last six decades regarding
occurrence, frequence, and phenomenology of precursor stages of schizophrenic and
schizoaffective psychoses. Already in his classical delineation of the onset of schizophrenia
Mayer-Gross (1932) differentiated between uncharacteristic and characteristic precursors
of schizophrenia and anticipated essential aspects of the concept of basic stages
and basic symptoms which has been gradually developed by clinical psychiatrists and
psychologists since the 50s. In his monograph "The beginning schizophrenia" Conrad
(1958) resumed the "promisingly undertaken, but prematurely coming to a standstill"
work of the descriptive-phenomenological psychopathology of the Heidelberg School
(Jaspers, K. Schneider, Mayer-Gross, Gruhle) and investigated systematically early
abnormalities of behaviour with the method of morpho-analysis. However, the study
of Conrad refers already to the onset of the first psychotic episode, the "trema"
which is not identical with the outpost syndromes and prodromes in the sense of Mayer-Gross
and the authors of the basic symptom concept. The "trema" is characterized mainly
by disorders of behaviour and expression, the precursor syndromes by dynamic and cognitive
basic deficiencies, experiential and not behavioural in kind, typically only recognizable
by the self-reports of the patients. The ability of recognition and realization of
the basic symptoms as complaints and disorders and to develop coping strategies was
the presupposition for a standardized survey and assessment of basic symptoms in the
Frankfurt Questionnaire (FBF) and the Bonn Schedule for the Assessment of Basic Symptoms
(BSABS). The patients in prepsychotic precursor syndromes that precede the first psychotic
episode as prodromes 3.3 years, as outpost syndromes 10 years, are in contrast to
patients in the "trema", with so-called negative schizophrenia or "prodromal or residual
symptoms" according to DSM-III-R, aware of the basic symptoms as deficiencies and
able to develop self-help strategies.
The results of the systematical clinical psychiatric and clinical-psychological studies
are reported with regard to the topic precursor stages of schizophrenia and the consequences
of these findings for the early recognition and early treatment of schizophrenic and
related diseases. The findings demonstrate that certain first rank symptoms of schizophrenia
develop from certain transition-relevant cognitive basic symptoms and that the course
models of Kraepelin, Andreasen and Crow cannot be maintained. Basic symptoms, positive
symptoms and negative symptoms must be differentiated. As a rule, except of a subgroup
of primary negative anosognosia-schizophrenias, they also develop in this chronological
sequence: First of all, there are uncharacteristic, and then more or less characteristic
basic symptoms; these are followed, on average many years later, by positive (psychotic)
symptoms and, finally, by negative symptoms. According to the results of the Bonn-Aachen
prospective early recognition study of schizophrenia, many seemingly neurotic and
psychopathic conditions which, according to DSM-III-R, would be diagnosed e.g. as
anxiety, somatoform or personality disorders or dysthymia, are prepsychotic basic
stages of idiopathic psychoses. The article outlines theoretical and practical consequences
of the findings on the true onset of the disease (nowadays still termed "schizophrenia")
for a better understanding of the disorder and its adequate, effective and early therapy.
Zusammenfassung
In der Arbeit werden anhand der relevanten psychiatrischen Literatur seit dem Heidelberger
Schizophrenie- Band von 1932 Befunde und Auffassungen über Vorläufersyndrome schizophrener
und schizoaffektiver Psychosen kritisch referiert. Schon die traditionelle Psychiatrie
bemerkte, daß die erste psychotische Manifestation - zumindest bei einer Teilgruppe
- nicht mit dem Erkrankungsbeginn gleichzusetzen ist, daß vielmehr schon lange zuvor
Symptome auftreten können. Mayer-Gross stellte im Heidelberger Schizophrenie-Band
den eigentlichen Krankheitsbeginn gesondert und nicht im Zusammenhang mit anderen,
späteren Verlaufsproblemen dar. Er nennt als Gründe hierfür die großen Schwierigkeiten
der Diagnose in den oft über lange Zeit sich hinziehenden Vorstadien, in denen aber
die erhaltene Selbstwahrnehmung der ersten Krankheitszeichen besonders klare Einblicke
in die Symptomatologie gewähren könne. In seinem Versuch, uncharakteristische (vegetative,
affektive und psychasthenische) von zeitlich späteren ,,kennzeichnenden" Vorboten
(u.a. Störungen des Denkens, der Aktivität und der Sympathiegefühle) abzugrenzen,
wobei im Verlauf die Entwicklung von völlig uncharakteristischen Phänomenen (Stufe-1-Basissymptome
späterer Autoren) ohne scharfe Grenzen zu schon einigermaßen charakteristischen Symptomen
(Stufe-2-Basissymptome) und von diesen zu typisch schizophrenen Symptomen gehe, kann
man eine Vorwegnähme des Konzeptes der präpsychotischen Basisstadien und Basissymptome
sehen, das von klinischen Psychiatern und Psychologen schrittweise seit den 50er Jahren
entwickelt wurde. Mayer-Gross sieht, daß es immer wieder auch und gerade einfache
Patienten gibt, die das Einsetzen der Störungen auch nachträglich gut schildern können.
In den Kasuistiken aus den 20er Jahren ist ein großer Teil der später im Frankfurter
Beschwerdefragebogen (FBF) und im Bonner Instrument für die Erfassung von Basissymptomen
(BSABS) beschriebenen dynamischen und kognitiven Basisdefizienzen, so die kognitiven
Denk- und Wahrnehmungsstörungen und die Zoenästhesien klar erkennbar. Trotz der großen
praktischen und theoretischen Bedeutung der Vorboten für das Verständnis der Krankheit
fehlte eine systematische Bearbeitung.
Erst Conrad hat dann in seiner Studie ,,Die beginnende Schizophrenie" (1958), die
an die Psychopathologie von Jaspers, Gruhle, Mayer-Gross und K. Schneider anknüpfte,
das Thema wieder aufgegriffen, um das von jenen ,,so hoffnungsvoll begonnene, dann
aber so frühzeitig steckengebliebene" Werk mit Hilfe der Gestaltanalyse neu anzupakken.
Conrads Untersuchung an einem großen Beobachtungsgut bezieht sich aber bereits auf
die erste Phase des schizophrenen Schubes, das ,,Trema", das nicht identisch ist mit
den von Mayer-Gross und den Autoren des Basisstörungskonzeptes gemeinten Prodromen
und Vorpostensyndromen: das Trema ist in erster Linie durch Verhaltensstörungen (,,unsinnige"
Handlungen und Entgleisungen) gekennzeichnet, nicht aber durch Basisdefizienzen, die
typischerweise nur anhand der Selbstschilderungen und nicht in Verhalten und Ausdruck
erkennbar sind. Die Patienten in Vorläufersyndromen, die als Prodrom durchschnittlich
3,3 Jahre und als Vorpostensyndrome 10 Jahre der ersten psychotischen Episode vorausgehen,
sind, anders als die Kranken im ,,Trema", mit sog. negativer Schizophrenie oder ,,prodromalen
oder residualen Symptomen" nach DSM-III-R, zu kritischer Auseinandersetzung mit den
Basisdefizienzen und zur Entwicklung von Bewältigungsund Selbsthilfestrategien imstande.
In einem Rückblick wird gezeigt, wie die deskriptiv-phänomenologische Forschung in
den letzten Jahrzehnten die Kenntnisse über die uncharakteristischen oder schon einigermaßen
charakteristischen Anfangsstadien schizophrener und verwandter Erkrankungen auf eine
festere Grundlage stellte. Es ergibt sich, daß prodromale Basisdefizienzen und Basisstadien
bereits als Initialsymptome der Erkrankung ,,Schizophrenie" anzusehen und bestimmte
kognitive Basissymptome für die Frühdiagnose und Frühbehandlung geeignet sind. Nach
den Befunden der Gruppe von Hafner lassen sich die Verlaufsmodelle von Kraepelin,
Crow und Andreasen nicht aufrecht erhalten, während wesentliche Annahmen des Basissymptomkonzeptes
über die ersten Anfänge der Schizophrenie bestätigt werden. Basissymptome, positive
und negative Symptome, sind zu differenzieren und entwickeln sich in der Mehrzahl
der Verläufe, abgesehen von den primär negativen Anosognosie-Schizophrenien, auch
in dieser chronologischen Reihenfolge. Die neueren Erkenntnisse über die initialen
präpsychotischen Basisstadien und Basissymptome führen zu Einsichten in die Eigenart
des Erlebens und Reagierens der Patienten, die eine Früherkennung und die Entwicklung
von adäquaten und effizienten psychologischen und medikamentösen therapeutischen Strategien
ermöglichen.