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DOI: 10.1055/s-2007-995889
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
Liegt der Sepsis und dem septischen Schock ein globaler Sauerstoffmangel zugrunde? Eine Übersicht in zwei Teilen - Teil 1: Sepsis und Zusammenhang zwischen DO2 und VO2
Is a Global Oxygen Deficit Responsible for Sepsis and Septic Shock?Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
22. Januar 2008 (online)

Summary
A global hypoxia resulting in an oxygen debt is assumed to be present in patients who suffer from the different stages and degrees of sepsis including septic shock and ARDS. As a consequence, the therapeutic concept of optimal values for cardiac output and oxygen delivery for these patients was proposed. This article reviews the literature with the objective of determining whether investigations dealing with oxygen delivery and consumption and with the plasma lactate concentration support the idea of the global hypoxia in septic patients. The finding of a pathologic oxygen supply dependency and an increase in plasma lactate concentration were taken as evidence for a global hypoxia. Between 1983 and 1991, oxygen supply dependency in septic patients was reported in an increasing number of publications. The increase in plasma lactate concentration was interpreted as lactic acidosis without presentation of plasma pH values and taken as evidence of global hypoxia and oxygen debt. From 1989 on, the number of publications that failed to show oxygen supply dependency even in the presence of an increased plasma lactate concentration increased. The problem in the method of determination of oxygen supply dependency became evident. Deducing both oxygen consumption and oxygen delivery from cardiac output from a common shared variable subject to measurement error may produce errors in the calculation of the regression between oxygen delivery and consumption. Oxygen supply dependency was not demonstrated in most investigations in which oxygen delivery and consumption were measured independently of each other. No decrease in mortality could be shown in prospective randomized studies for patients with sepsis and septic shock who were treated according to the concept of the optimal values. The lactate plasma concentration was below 5 mmol/l in most studies, which represents the borderline value for a clinically significant lactic acidosis. The term acidosis is not justified without a decrease in plasma pH or a decrease in the bicarbonate plasma concentration. An increased lactate plasma concentration can be merely the result of a hypermetabolism which is often found in septic patients. There is no proven evidence for global tissue hypoxia in septic patients from the investigations of oxygen delivery and consumption. This is also true for patients in septic shock after plasma volume expansion. The dogmatic proposal to increase cardiac output and oxygen delivery to certain levels cannot be sustained. However, regional hypoperfusion (e.g., of the splanchnic vascular bed) cannot be excluded. New approaches like gastric mucosal tonometry, measurement of splanchnic blood flow, and determination of regional metabolism are currently under investigation.
Zusammenfassung
Bei Patienten mit septischem Schock, aber auch mit anderen Ausprägungen der Sepsis und bei Patienten mit ARDS wird ein globaler Sauerstoffmangel postuliert. Daraus wurde das Therapiekonzept der supraphysiologischen Werte von Herzzeitvolumen und DO2 für diese Patienten abgeleitet. In der vorliegenden Übersicht wurde die Literatur unter der Frage gesucht und ausgewertet, ob aus den Arbeiten zu DO2 und VO2 und zur Laktatplasmakonzentration der Rückschluß auf eine globale Minderversorgung mit Sauerstoff bei Patienten, die die Symptome der Sepsis bis hin zum septischen Schock zeigen, berechtigt ist. Als Beweis für den globalen Sauerstoffmangel wurden die Befunde, die eine Abhängigkeit des VO2 von der DO2 zeigen, und die erhöhte Laktatplasmakonzentration angeführt. In der Zeit zwischen 1983 und 1991 wurden zunehmend Arbeiten publiziert, die bei den oben genannten Erkrankungen eine Zunahme des VO2 nach einer therapeutischen Steigerung der DO2 beschrieben. Dieses Verhalten wurde als pathologische Abhängigkeit interpretiert, dem eine Sauerstoffschuld zugrunde liegen sollte. Häufig wurde als weitere Unterstützung dieser Auffassung die erhöhte Laktatplasmakonzentration angeführt, die meist mit einer Laktazidose gleichgesetzt wurde. Ab 1989 mehrten sich jedoch die Publikationen, in denen keine Abhängigkeit des VO2 von der DO2 mehr zeigen konnten. Auch bei einer erhöhten Laktatplasmakonzentration konnte die vermutete Unterversorgung mit Sauerstoff nicht gezeigt werden. Zusätzlich wurde auch die Methode zur Darstellung des Zusammenhanges zwischen VO2 und DO2 kritisiert, weil in den meisten Untersuchungen VO2 und DO2 aus dem Herzzeitvolumen abgeleitet werden und damit beide Größen eine gemeinsame, mit einem Meßfehler behaftete Variable - das Herzzeitvolumen - beinhalten und es dadurch zu falsch positiven Regressionen kommen kann. Untersuchungen mit einer direkten Messung des VO2, die unabhängig von der Bestimmung der DO2 ist, zeigten mehrheitlich keine Abhängigkeit des VO2 von der DO2. In prospektiven randomisierten Studien konnte keine Senkung der Letalität durch eine Steigerung der DO2 auf supraphysiologische Werte gezeigt werden. Die erhöhte Laktatplasmakonzentration lag in den meisten Arbeiten unterhalb 5 mmol/l, was für eine klinische bedeutsame Laktazidose als unterer Wert angesehen wird. Ohne Angabe des Plasma-pH und/oder des Standardbikarbonats ist auch die Bezeichnung Azidose nicht gerechtfertigt. Eine erhöhte Laktatplasmakonzentration ohne Azidose kann das Resultat eines Hypermetabolismus sein, wie er bei septischen Erkrankungen häufig beobachtet wird. Damit läßt sich aus den Arbeiten zum Verhältnis von VO2 und DO2 und aus den Arbeiten zur Laktatplasmakonzentration kein Beweis ableiten, daß bei den verschiedenen Schweregraden der septischen Erkrankungen eine globale Minderversorgung mit Sauerstoff zugrunde liegt. Auch für den Patienten mit septischem Schock, dessen intravasales Volumen ausreichend aufgefüllt wurde, ist die Minderversorgung mit Sauerstoff nicht unbedingt nachzuweisen. Dies schränkt die dogmatische Forderung nach Steigerung des Herzzeitvolumens und der DO2 bei diesen Patienten ein. Eine regionale Minderversorgung mit Sauerstoff z.B. der Splanchnikusorgane ist jedoch nicht ausgeschlossen. Neuere Methoden wie das Messen des gastralen intramukösen pH-Wertes (pHi), das Messen der Durchblutung der Splanchnikusorgane oder die Bestimmung regionaler Stoffwechselleistungen werden zur Zeit untersucht, sind aber in ihrer Wertigkeit für Rückschlüsse auf die Therapie noch nicht gesichert.