Aktuelle Dermatologie 2008; 34(3): 61
DOI: 10.1055/s-2007-995683
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Wer war zuerst da, die Henne oder das Ei?

Who was First, the Hen or the Egg?C.  Bayerl
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Publication Date:
08 April 2008 (online)

Prof. Dr. Christiane Bayerl

Im Folgenden geht es nicht um das kulturgeschichtliche „Henne-Ei-Problem”. Dennoch ist es interessant, dass sich der Streit, wer zuerst war, die Henne oder das Ei, in der Allergologie wiederspiegelt.

In der Nahrungsmittelindustrie werden Hühnereier als hervorragende Proteinquelle weitreichend eingesetzt. In Deutschland werden jährlich 10 Millionen Hühnereier entweder in privaten Haushalten verzehrt oder in der lebensmittelverarbeitenden Industrie verwendet oder in Großküchen und Bäckereien eingesetzt.

Die Nahrungsmittelallergie ist eine Form der Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Sie wird bedingt durch eine IgE-vermittelte immunologische Reaktion vom Soforttyp. Rechnet man das orale Allergiesyndrom heraus, liegt die Prävalenz einer Nahrungsmittelallergie in der allgemeinen Bevölkerung zwischen 1 % und 2 %. Ein Risikofaktor, eine Nahrungsmittelallergie zu erwerben, ist ein Darminfekt, da dabei der Schleimhautschutz der Magen/Darmbarriere zerstört wird. Ein weiterer Risikofaktor bei Erwachsenen sind die häufigen Kreuzreaktionen zwischen inhalativen Allergenen und Nahrungsmittelallergenen, z. B. das Sellerie-Beifuß-Gewürzsyndrom. IgE Antikörper erkennen strukturell ähnliche Komponenten in Nahrungsmitteln auch bei taxonomisch nicht verwandten Pflanzen. Erreicht die Homologie zwischen Proteinsequenzen 70 %, ist es wahrscheinlich, dass eine Kreuzallergie auftritt.

Vor diesem Hintergrund verblüfft das Vogel-Ei- oder das Ei-Vogel-Syndrom, da hier nicht Pflanze mit Pflanze oder Frucht kreuzreagieren, sondern Tierprodukte mit dem Produzenten selbst, also Henne mit Ei. Eine Eiweißallergie ist bei Kindern häufig. Eigelb enthält zwar auch einige Allergene, aber die Hauptallergene sind im Eiweiß enthalten. Eiallergene sind Ovalbumin, Ovomukoid, Ovotransferrin und Lysoszym. Es fanden sich in einigen Fällen der Eiweißallergie bei Patienten respiratorische Symptome und eine Soforttyp-Allergie auf Vogel-Antigene. Diese Assoziation wird als Vogel-Ei-Syndrom bezeichnet. Ursache ist eine Sensibilisierung auf Hühnerserumalbumin (alpha-Livetin). Aus Frankreich wurde die Kasuistik einer atopischen Patientin berichtet, die sich zunächst einen Papagei angeschafft hatte und danach eine Hühnereiallergie entwickelte. Sie reagierte im Hauttest und bei der spezifischen IgE-Bestimmung auf Eigelb, Eiweiß, alpha-Livetin und Federn. Beim Vogel-Ei-Syndrom zeigen sich klinisch respiratorische und gastrointestinale Beschwerden nach Eigenuss und nach Kontakt mit Vogelallergenen. Üblicherweise reagieren Betroffene zuerst auf Federn, Exkremente und Hühnerfleisch und entwickeln dann erst eine Eiallergie. In diesen Fällen kommt also die Henne vor dem Ei. Diese Reihenfolge der Allergiesymptomatik wurde für Erwachsene und zwar vor allem für Frauen beschrieben. IgE von Patienten mit Vogel-Ei-Syndrom erkannte ein 70 kd Protein in Eigelb (Hühnerserumalbumin = alpha-Livetin, Gal d 5) und einige der Hauptallergene aus Vogelfedernextrakten. Dagegen reagierte das IgE von Patienten mit Eiweißallergie nicht mit Eigelb- oder Vogelfedernextrakten. Die Kreuzreaktion beim Vogel-Ei-Syndrom besteht demnach zwischen Wellensittich- und Hühnerfedernallergen und dem Eigelb-Hauptallergen alpha-Livetin. Bei Kindern mit einer Allergie auf Vögel und Ei dauert die Toleranzentwicklung länger an und wird mitunter auch nicht erreicht. Alpha-Livetin ist teilweise hitzelabil. Die IgE Reaktivität des alpha-Livetin konnte durch Erhitzen auf 90 Grad für 30 min um 88 % reduziert werden.

Geht die Sensibilisierung auf Ei den respiratorischen Beschwerden auf Eiproteine voraus, wird der Vorgang Ei-Vogel-Syndrom genannt. In diesen Fällen kommt also das Ei vor der Henne. Die Eiweißallergie ist typisch für atopische Kinder.

Das Ei-Ei-Syndrom lässt zwar die Hühner außen vor, birgt aber Probleme am Arbeitsplatz. Bekannt ist Weizenmehl als inhalatives Allergen des Bäckers und Konditors, z. B. bedingt durch Enzyme wie alpha-Amylase. Aber auch Allergien auf Ei-Aerosole wurden beobachtet. Arbeiter mit pulmonalen Beschwerden an Eiweißpuderspraystationen und Flüssigeistationen reagierten dann in der Folge auch auf Nahrungsmittel, die Ei enthielten. Als Allergen wurde zumeist Lysoszym charakterisiert, seltener auch Ovalbumin und Ovomukoid - mitunter fand sich eine zusätzliche inhalative Mehlallergie.

Selbstverständlich gibt es auch Geflügelfleischkreuzallergien bei Patienten, bei denen keinerlei Allergie auf Eikomponenten vorliegt. Als Kreuzallergien bei Geflügelfleisch sind z. B. beschrieben Hühnchen, Truthahn, Taube und Wachtel. Auffällig war, dass Patienten ihr Leben lang nur Hühnchen gegessen hatten und dennoch auf die anderen Geflügeltypen im Hauttest reagierten, bzw. IgE aufwiesen. Interessanterweise finden sich auch Berichte über anaphylaktische Reaktionen auf Wachtelei, ohne dass Wachteln jemals verzehrt wurden.

Zum Glück bringt nicht die Henne die Ostereier, sondern der Osterhase. Eine Kreuzreaktion Ei mit Hase wurde bisher nicht beschrieben.

Prof. Dr. med Christiane Bayerl

Prof. Dr. med. Christiane Bayerl

Klinik für Dermatologie und Allergologie, HSK,
Wilhelm-Fresenius-Klinik

Aukammallee 39

65191 Wiesbaden

Email: Christiane.Bayerl@HSK-Wiesbaden.de

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