Fortschr Neurol Psychiatr 1999; 67(4): 163-174
DOI: 10.1055/s-2007-993994
ORIGINALARBEIT

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Selbstbeurteilungsfragebogen für Arzneimittelnebenwirkungen und Anwendung im Rahmen einer Studie mit Antidepressiva

A Novel SeIf-Rating Scale for Adverse Drug Effects and its Application to Antidepressant Drug TreatmentJ.  Dreher , M.  Kolbinger , B. Rodriguez de la Torre , M.  Bagli , J.  Malevanyi , M. L. Rao
  • Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
08. Januar 2008 (online)

Abstract

Patient's complaints about adverse drug effects in the course of antidepressant drug therapy are related to a considerable extent to their subjective experience. Therefore general assessment of adverse drug effects that relies exclusively on the investigator's rating scales appears unsatisfactory. Additional assessment with self-rating scales should record the experience which arises from patient's perception. However, there are presently no satisfactory instruments available. Therefore, we developed the Bonner Erhebungsinstrument to assess subjective adverse drug effects. We administered this rating scale on 310 occasions to 130 patients. In order to evaluate the influence of indirect and direct questions, we devised an additional instrument the Erhebungsinstrument direkt. As it turned out, patients answering direct questions stated nearly twice as many side-effects than patients answering the indirect questionnaire. A comparison of our two rating scales with the observer-rating scale UKU showed, that investigators noted 79% of the symptoms that patients mentioned, but rated only 30% as probably due to a drug effect. A statistical evaluation of the data showed an interdependence between the number of adverse drug effects in the Bonner Erhebungsinstrument and fluvoxamine's daily dose; furthermore, the number of adverse drug effects of clomipramine correlated with its serum level; dose and serum concentrations of doxepin correlated significantly with the adverse side effects. Selective serotonin reuptake inhibitors are generally considered to have fewer side effects than tricyclic antidepressants: in our investigation this turned out to be true for the symptom "dry mouth" but not for other symptoms. Thus the novel Bonner Erhebungsinstrument discriminates well between different adverse drug effects; it provides important information to assess unwanted side effects and to understand and improve patients' compliance.

Zusammenfassung

Ein großer Teil der Nebenwirkungen, die bei Einnahme von Antidepressiva geklagt werden, liegt im Bereich des subjektiven Erlebens der Patienten. Die bisher gängige Einschätzung unerwünschter Arzneimittelnebenwirkungen ausschließlich durch die Untersucher vermittels eines Fremdbeurteilungsfragebogens erscheint aus diesem Grunde nicht ausreichend. Eine zusätzliche Erhebung der Patienteneinschätzung vermittels eines Selbstbeurteilungsfragebogens sollte insbesondere diese der Patientenwahrnehmung sehr nahe stehenden Erlebnisse besser erfassen und deren genauere Untersuchung ermöglichen. Da bislang kein erprobtes Instrument dieser Art zur Verfügung stand, entwickelten wir im Rahmen einer klinischen Studie zur Verträglichkeit antidepressiver Medikamente einen von den Betroffenen auszufüllenden Selbstbeurteilungsfragebogen zur Erfassung subjektiver Nebenwirkungen, das Bonner Erhebungsinstrument, und wendeten es in 310 Untersuchungen an 130 Patientinnen und Patienten an, Um den Einfluß der Frageform des often nach Nebenwirkungen fragenden Bonner Erhebungsinstrumentes abschätzen zu können, wurde ein zweiter Fragebogen mit geschlossener Fragetechnik erstellt, das Erhebungsinstrument direkt. Es zeigte sich, daß auf geschlossene Fragen nahezu doppelt so viele Nebenwirkungen angegeben wurden, wie auf offene Fragen. Diese Abweichung war bei sexuellen Symptomen besonders deutlich. Ein Vergleich mit der Fremdbeurteilungsskala UKU zeigte, daß die Untersucher die von den Patientinnen/Patienten beschriebenen Nebenwirkungen in 79% der Fälle zwar sahen, sie aber nur zu 30% als ,,wahrscheinlich eine Medikamentennebenwirkung" einstuften. Eine statistische Auswertung der angegebenen Nebenwirkungen im Bonner Erhebungsinstrument zeigte für Fluvoxamin einen signifikanten Zusammenhang mit der Tagesdosis und für Clomipramin mit dem Serumspiegel des Medikamentes; im Falle des Doxepins waren beide Zusammenhänge signifikant. Die häufig beschriebene Nebenwirkungsarmut selektiver Serotonin- Wiederaufnahme-Hemmer im Vergleich zu trizyklischen Antidepressiva erwies sich in unserer Untersuchung nur beim Symptom Mundtrockenheit, nicht bei anderen Symptomen. Das Bonner Erhebungsinstrument erwies sich als geeignet, die Nebenwirkungsprofile unterschiedlicher Medikamentengruppen differenziert aufzuzeichnen. Durch die Untersuchung der Patienteneinschätzung der Medikamentennebenwirkungen mit dem Bonner Erhebungsinstrument können wichtige Informationen für die Erforschung und Verbesserung der Compliance gewonnen werden.

    >