Suchttherapie 2007; 8(4): 141-147
DOI: 10.1055/s-2007-993173
Schwerpunktthema

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Förderung der Tabakabstinenz in der hausärztlichen Praxis: Die aktuelle Situation in Deutschland

Tobacco Abstinence Enhancement in General Practice: Current Situation in GermanyB. Groß 1 , S. Ulbricht 1 , J. Rüge 1 , H.-J. Rumpf 2 , U. John 1 , C. Meyer 1
  • 1Institut für Epidemiologie und Sozialmedizin, Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald
  • 2Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universität Lübeck
Further Information

Publication History

Publication Date:
20 December 2007 (online)

Preview

Zusammenfassung

Fragestellung: Die verbreitete Inanspruchnahme des Hausarztes durch die Bevölkerung und die nachgewiesene Wirksamkeit von Kurzinterventionen zum Tabakrauchen sprechen für den Ausbau von sekundärpräventiven Screening- und Beratungsroutinen in der Hausarztpraxis. Es ist bekannt, dass die Umsetzung der Leitlinien zur Tabakentwöhnung bislang nur unzureichend erfolgt. Dabei ist eine Diskrepanz zwischen dem Selbstverständnis der Hausärzte als Präventionsverantwortliche auf der einen Seite und dem Mangel an systematischer Erfassung des Rauchstatus sowie dem regelmäßigen Angebot von Beratungen für alle Raucher auf der anderen Seite zu beobachten. Ziel dieser Studie ist es 1.) einen Überblick über den Stand der Forschung zu Kurzinterventionen zur Förderung der Tabakabstinenz in der hausärztlichen Praxis zu geben, 2.) die Häufigkeit und Bedingungen für das Ansprechen auf das Rauchverhalten in einer repräsentativen Stichprobe von hausärztlicher Patienten zu untersuchen und 3.) einen Ausblick auf innovative Ansätze zu geben, die eine Verbesserung der derzeitigen Versorgungssituation versprechen.

Methodik: Als Stichprobe wurden konsekutive Patienten einer Zufallsauswahl von 34 hausärztlichen Praxen (Teilnahmerate 87%) in Vorpommern genutzt. Eingeschlossen wurden rauchende Patienten im Alter von 18 bis 70 Jahren. Von 2016 Patienten gaben 1653 (82%) ihr Einverständnis zur Studienteilnahme. In die Analyse wurden Patienten einbezogen, die seit mehr als einem Jahr Patient bei ihrem Hausarzt waren (N=1066). Die Daten wurden per Fragebogen im Wartezimmer erhoben.

Ergebnisse: Ein Anteil von 42% der Befragten gab an, irgendwann einmal vom Hausarzt auf das Thema Rauchen angesprochen worden zu sein. Für die letzten 12 Monate bestätigten dies 27%. Verglichen mit Patienten, die in den vergangenen 12 Monaten nicht angesprochen wurden, waren diese Patienten älter und häufiger männlich, rauchten mehr Zigaretten pro Tag, hatten in den letzten 12 Monaten häufiger einen Abstinenzversuch unternommen sowie häufiger Entwöhnungshilfen in Anspruch genommen und wiesen eine höhere Nikotinabhängigkeit auf. Eine Regressionsanalyse mit simultaner Betrachtung aller univariat bedeutsamen Variablen bestätigte diese Zusammenhänge bis auf die Anzahl der gerauchten Zigaretten pro Tag.

Schlussfolgerung: Die Leitlinien zur Tabakentwöhnung, die u. a. mindestens einmal pro Jahr einen Ratschlag des Arztes zum Rauchstopp vorsehen, werden nur etwa bei jedem 4. Raucher umgesetzt. Dabei werden vor allem jene Raucher angesprochen, bei denen die negativen Folgen des Rauchens schon mit größerer Wahrscheinlichkeit manifest sind. Unterstützung in Form von Training in motivierenden Gesprächstechniken, Einbeziehung des Praxenpersonals oder Nutzung von Erinnerungshilfen erscheinen vielversprechend, um die Beratungssituation zum Tabakrauchen in der Hausarztpraxis zu verbessern.

Abstract

Aim: Screening and counselling for tobacco smoking in general practices should be enhanced because there is a high degree utilisation of general practices in Germany and brief interventions have shown their efficacy. There are clinical guidelines for smoking cessation, but they are implemented insufficiently. General practitioners feel responsible for prevention, but the lack of systematic screening as well as advising patients on smoking cessation on a routine basis is evident. The aim of this study is 1st) to review the state of research of brief interventions enhancing tobacco abstinence in general practices, 2nd) to investigate the frequency and conditions of addressing smoking in a representative sample of patients in the general practice and 3rd) to introduce innovative approaches that are promising to improve the current situation.

Methods: Patients of a random sample of 34 general practices (participation rate 87%) in Western Pomerania were screened consecutively. 2016 fulfilled the inclusion criteria of being a smoker between 18 and 70 years of age, from which informed consent for study participation was obtained by 1653 (82%). The present analyses is based on patients that have been visiting the same general practice for more than one year (N=1066). Patients answered a questionnaire in the waiting room.

Results: A proportion of 42% reported ever having been addressed towards their smoking behaviour by their general practitioner. Considering the previous 12 months the proportion was 27%. There was a difference between those patients and patients not having been addressed during the previous 12 months indicating that addressed patients were older, smoked more cigarettes per day and were more dependent. The frequency of males, having a quit attempt during the last 12 months, and using smoking cessation aids during the last 12 months was higher in this group. Logistic regression analysis including all important univariate variables confirmed all recovered associations but number of cigarettes smoked per day.

Conclusion: Clinical practice guidelines for smoking cessation are only realised for every fourth smoker when looking at the suggestion to provide an advice to stop smoking at least once a year. Our analysis indicates that probably those smokers are addressed in which the negative consequences of smoking are more obvious. The counselling situation in general practices could be improved by training in motivational conversation techniques, involvement of the praxis team or usage of recall aids.

Literatur

Korrespondenzadresse

Dipl.-Psych. B. Groß

Institut für Epidemiologie und Sozialmedizin

Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald

Walther-Rathenau-Straße 48

17487 Greifswald

Email: beatrice.gross@uni-greifswald.de