Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin 2007; 17 - A25
DOI: 10.1055/s-2007-992677

Die Rolle des Tischtennis im Behindertensport

K Nagel-Albustin 1, R Crevenna 1
  • 1Univ. Klinik für Physikalische Medizin und Rehabilitation, Medizinische Universität Wien, Krankenhaus Hietzing, Wien

Frage: Welche Rolle spielt Tischtennis im (österreichischen) Behindertensport?

Methode: Um einen Überblick über den Behindertentischtennissport zu schaffen und die Vorteile des Tischtennis gegenüber anderen Sportarten herauszuarbeiten, wurde eine Literatursuche mittels elektronischer Medien in den Literaturverzeichnissen Pubmed und Medline (1966–03/2007) mit den Suchbegriffen „Table tennis“, „Rehabilitation“, „Wheelchair sports“, „Disabled sports“ und „Paralympics“ durchgeführt. Die überraschend wenigen erzielten Ergebnisse führten zu einer Erweiterung der Suche im Internet unter Anwendung der Suchmaschine „Google“ mit den Stichworten „Tischtennis“, „Behindertensport“, „Rollstuhlsport“, „Paralympics“ sowie „Rehabilitation“. Dadurch und mithilfe des Fachausschusses für Rollstuhltischtennis konnten mehr Informationen zusammengetragen werden. Nicht zuletzt trug das Insiderwissen und die einschlägigen Kontakte einer ehemaligen österreichischen Nationalspielerin (im Tischtennis „Gesunder“) zum Zustandekommen dieser Arbeit bei.

Ergebnis: Die zunehmende Bedeutung des Sports für Menschen mit Behinderung, sei es nun Rehabilitations-, Freizeit- oder Leistungssport, kann nicht zuletzt an den wachsenden Teilnehmerzahlen der Paralympics abgelesen werden. Eine der Sportarten, die immer mehr Menschen aus der Gruppe der Amputierten, Cerebralparetiker, Gehörlosen, Mentalbehinderten sowie Rollstuhlfahrer ausüben, ist Tischtennis. Durch eine international gültige funktionelle Klassifikation sind im Turniertischtennis faire Wettkämpfe gewährleistet. Doch nicht nur im Leistungssport, sondern auch in der Rehabilitation spielt Tischtennis eine Rolle. Die Vorteile des Tischtennissportes liegen klar auf der Hand: Tischtennis kann ohne großen Aufwand beinahe überall ausgeübt werden und unterliegt keinerlei Altersgrenze. Tischtennis ist außerdem eine sehr risikoarme Sportart. Nicht nur Kraft und Ausdauer, auch Reaktion, Balance und Koordination werden durch Tischtennis geschult. Darüber hinaus hat Tischtennis – wie jeder Sport – einen positiven Einfluss auf die Psyche. Tischtennis ist eine für Menschen mit verschiedensten Arten der Behinderung gut erlernbare Art des Sports und hervorragend geeignet, nicht nur in physischer, sondern auch in psychischer Hinsicht, deren Lebensqualität zu verbessern.

Anhand der im folgenden Abschnitt beschriebenen Profile zweier international erfolgreicher Rollstuhltischtennisspieler wird deutlich, dass es durch gezieltes Training und Motivation möglich ist, beeinträchtigte Körperfunktionen optimal zu nützen:

Spielerin 1, geboren 1976, spielte bereits in einem Verein Tischtennis, bevor 2002 ein (benigner) Tumor im Rückenmark ab Höhe Th6 zur Querschnittslähmung führte. Im Rahmen der Rehabilitation am Rehabilitationszentrum „Weißer Hof“ entdeckte sie den Tischtennissport für sich neu, wobei sich zu Beginn einige Probleme ergaben:

der nunmehr geringe Abstand zum Tischtennistisch und die verminderte Körperhöhe durch das Sitzen im Rollstuhl zwangen sie zu einer Umstellung der Schlagtechnik. Darüber hinaus musste die jetzt beeinträchtigte Rumpfkontrolle ausgeglichen werden; dies gelang durch das Anhalten am Rollstuhl mit der freien Hand am Rollstuhl. Nach einer längeren Umstellungsphase konnte die Spielerin beginnen, in Klasse TT3 an nationalen und internationalen Wettkämpfen teilzunehmen. Jetzt belegt sie in ihrer Klasse den 7. Rang in der Weltrangliste und bereitet sich auf die Qualifikation für die Paralympischen Spiele 2008 vor.

Der 36jährige Spieler 2 ist seit einem Unfall 1988, der eine Querschnittslähmung ab C5 zur Folge hatte, an den Rollstuhl gefesselt. Auch er entdeckte am Weißen Hof den Rollstuhltischtennissport. Da die Läsionshöhe eine stark eingeschränkte Hand- und Armfunktion zur Folge hat, muss sein Tischtennisschläger an die Hand fixiert werden; zu diesem Zweck hat er selbst eine Bandage entworfen, mittels welcher der – mit einem besonders dicken Griff ausgestattete – Schläger an seine Schlaghand gebunden wird. Durch Bewegungen aus dem Schultergelenk ist er in der Lage, sehr effiziente Schläge auszuführen. Das Problem der Rumpfinstabilität löst er durch das Fixieren der Schulter des freien Armes an der Rollstuhllehne. Mittels einer Schraube fixiert er – wie andere Rollstuhltischtennisspieler auch – beim Tischtennisspielen die Räder seines Rollstuhls in der Art und Weise, dass zwar ein Vorwärts- und Rückwärtsfahren möglich ist, jedoch kein seitliches Verdrehen; so kann er auch kurz gespielte Bälle erreichen. In Klasse TT1 belegt er nun den zweiten Platz in der Weltrangliste und wird voraussichtlich 2008 bei den Paralympics teilnehmen.

Diskussion: Unter dem Eindruck dieser beiden Fallbeispiele und der zum Thema vorliegenden Datenlage kann zusammengefasst werden, dass, um der Entstehung von Erkrankungen wie Depression, Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes mellitus und Übergewicht vorzubeugen, sowie um (die eingeschränkten) Restfunktionen optimal auszuschöpfen und zu fördern und die größtmögliche Selbständigkeit und Mobilität im täglichen Leben zu erreichen und zu erhalten, es zunehmend wichtig ist, dass behinderte Menschen im Rahmen der Rehabilitation Sport ausüben und motiviert werden, körperlich aktiv zu bleiben. Gerade Tischtennis scheint in diesem Zusammenhang auch für Menschen mit schweren und schwersten Behinderungen eine sehr gut geeignete Sportart darzustellen, um Kraft, Ausdauer, Koordination, Balance und Reaktion zu schulen und Selbstvertrauen und soziale Kontakte zu fördern.