Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin 2007; 17 - A5
DOI: 10.1055/s-2007-992657

Aerobes Ausdauertraining als präventive Maßnahme gegen die gravierende Nebenwirkung „Fatigue-Syndrom“ bei einem Patienten mit metastasierendem Nierenzellkarzinom unter Therapie mit dem Tyrosinkinaseinhibitor SUTENT (SU 011248)

R Crevenna 1, M Keilani 1, A Pourkarami 1, M Schmidinger 1
  • 1Univ. Klinik für Physikalische Medizin und Rehabilitation, Univ. Klinik für Innere Medizin I Onkologie, Medizinische Universität Wien

Frage: Der Tyrosinkinaseinhibitor SUTENT (SU 011248) ist eine der großen Hoffnungen in der systemischen onkologischen Therapie des metastasierenden Nierenzellkarzinoms. Als ganz wesentliche Nebenwirkung der Therapie mit SUTENT zeigt sich bei vielen Patienten leider ein ausgeprägtes Fatigue-Syndrom (v.a. assoziiert mit hypothyreoter Stoffwechsellage) und eine daraus resultierende Dekonditionierung mit Einbußen in den motorischen Grundeigenschaften. Aus der Literatur ist bekannt, dass aerobes Ausdauertraining bei Tumorpatienten in vielen Fällen als wirksame Maßnahme gegen das Fatigue-Syndrom eingesetzt werden kann. Die vorliegende Falldarstellung befasst sich mit der Fragestellung, ob aerobes Ausdauertraining (und aktiver Lebensstil) bei Patienten mit metastasierendem Nierenzellkarzinom unter Therapie mit dem Tyrosinkinaseinhibitor SUTENT (SU 011248) sicher und sinnvoll durchführbar ist – und ob diese aktive Maßnahme gegen die gravierende Nebenwirkung „Fatigue-Syndrom“ effektiv eingesetzt werden kann.

Methode: Kasuistik zur Durchführbarkeit, Akzeptanz und Effektivität des aeroben Ausdauertrainings als Maßnahme gegen die gravierende Nebenwirkung „Fatigue-Syndrom“ mit Dekonditionierung bei einem Patienten mit metastasierendem Nierenzellkarzinom unter Therapie mit dem Tyrosinkinaseinhibitor SUTENT.

Ergebnis: Ein 47-jähriger Patient mit metastasierendem Nierenzellkarzinom, St. p. Segmentresektion wegen Lungenmetastasen und erneuter, fortgeschrittener Lungenmetastasierung führte an unserer Klinik zunächst eine initiale Trainings- und Sportberatung, sowie eine Trainingsphase mit aerobem Ergometertraining (mit einer Zunahme der Ausdauerleistungsfähigkeit um 17% auf 135%) durch. Geplant war, dieses Training sowie die selbständige Ausdauersportausübung (Hometrainer, Schwimmen) auch unter der SUTENT-Medikation (damals noch als Studienpräparat) fortzusetzen. Vor Beginn der SUTENT-Therapie (50mg SUTENT: 4 Wochen Therapie im Wechsel mit zwei Wochen Pause über 6 Monate, danach 37,5mg SUTENT täglich mit jedem 10. Tag Pause) wurde eine Ergospirometrie (Ausdauerleistungsfähigkeit 135%) durchgeführt und danach das aerobe Ausdauertraining am Fahrradergometer über einen Zeitraum von gut 15 Monaten durchgeführt. Weitere Ergospirometrien wurden bisher nach 6 Monaten (Ausdauerleistungsfähigkeit 135%) und nach 12 Monaten (Ausdauerleistungsfähigkeit 136%) durchgeführt. Der Patient zeigte ein ausgezeichnetes Ansprechen auf die onkologische SUTENT-Therapie – in der letzten Computertomographie waren keinerlei suspekte Herde bzw. Hinweise auf sekundärblastomatöse Veränderungen mehr darstellbar. Als Nebenwirkungen zeigte er v.a. häufige Diarrhöen und rezidivierende hypothyreote Stoffwechsellagen mit Fatigue. Trotz dieser Nebenwirkungen konnte er seine ausgezeichnete Ausdauerleistungsfähigkeit über den gesamten Therapieverlauf erhalten. In diesem ganzen Zeitraum betrug das längste trainings- bzw. sportfreie Intervall zehn Tage (Urlaub). Der Patient gab an, dass er nach mehreren Tagen ohne Training bzw. Sportausübung stets auch eine zunehmende Tagesmüdigkeit empfunden hätte, der er mit Wiederaufnahme des Trainings entgegenwirken konnte.

Diskussion: Trotz der bekannten Nebenwirkungen konnte das ausgezeichnete Ausdauerleistungsniveau über den gesamten Zeitraum der offenbar hochwirksamen onkologischen SUTENT-Therapie erhalten werden. Die Ergebnisse dieser hochaktuellen Falldarstellung weisen darauf hin, dass das aerobe Ausdauertraining bei Patienten mit metastasierendem Nierenzellkarzinom als additive Maßnahme gegen die gravierende Nebenwirkung „Fatigue-Syndrom“ und Dekonditionierung bei Therapie mit dem Tyrosinkinaseinhibitor SUTENT sicher, gut akzeptiert und durchaus effektiv eingesetzt werden kann.