Exp Clin Endocrinol Diabetes 2007; 115 - T1
DOI: 10.1055/s-2007-990401

Die Rolle von Leptin bei Anorexia nervosa

J Hebebrand 1
  • 1Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters, Universität Duisburg-Essen, Germany

Leptin ist ein Hormon mit pleiotropen Funktionen, die zahlreiche Organe betreffen. Weil Leptin eine kritische Rolle bei der Anpassung des Organismus an eine Semistarvation zukommt, dient Anorexia nervosa als eine Modellerkrankung zur Identifikation der funktionellen Implikationen einer Hypoleptinämie. Umgekehrt sind einige Symptome dieser Essstörung auf die niedrigen Serumleptinspiegel zurückzuführen, die charakteristisch für eine akute Anorexia nervosa sind. Gewichtszunahmen bei Patientinnen mit Anorexia nervosa führen zu einer relativen Hyperleptinämie im Vergleich zu BMI-gematchten Kontrollen; die Serumspiegel steigen demnach innerhalb von nur wenigen Wochen von deutlich unterdurchschnittlichen auf überdurchschnittlich hohe Werte an. Wir fassen Befunde zur Leptinsekretion im Rahmen der akuten Anorexia nervosa zusammen und fokussieren auf Implikationen für die Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse, Knochendichte und körperliche Aktivität. Ohne Frage hat die Aufklärung der Funktion des Leptins bei der Anpassung eines Organismus an eine erniedrigte Energiezufuhr maßgeblich zum Verständnis einzelner wichtiger Symptome der Anorexia nervosa beigetragen. Besonders hervorzuheben ist hierbei das Zustandekommen der Amenorrhö, da diese sowohl nach ICD-10 als auch DSM-IV ein diagnostisches Merkmal darstellt. Da Hypoleptinämie in einem Tiermodell zu Hyperaktivität führt, sind eine Reihe von Studien bei Patientinnen mit Anorexia nervosa erfolgt, die die Vorstellung stützen, dass eine ausgeprägte Hyperaktivität möglicherweise erfolgreich mit exogener Leptinapplikation behandelt werden kann.