Geburtshilfe Frauenheilkd 2007; 68 - P38
DOI: 10.1055/s-2007-988677

Genitaler Lichen ruber erosivus

N Bock 1, B Hinney 1, G Emons 1
  • 1Göttingen

Einleitung:

Der Lichen ruber ist eine schubweise verlaufende, chronisch-entzündliche, nicht ansteckende Hauterkrankung, an der etwa 0,5% der Bevölkerung leiden. Sie tritt v.a. im mittleren Alter auf und heilt häufig nach längerem Bestehen (sechs Monate bis zwei Jahre) spontan ab. Auf der Haut (v.a. Beugeseiten der Handgelenke, Lenden-/Kreuzbeinregion, Knöchel) finden sich juckende, flache, rötlich-bläuliche Knötchen, häufig mit einer weißen, netzartigen Zeichnung an ihrer Oberfläche (Wickham-Streifen). Durch mechan. Irritation können sich neue Herde auf gesunder Haut ausbilden (Köbner-Phänomen). Bei 25–70% sind zusätzlich die Schleimhäute (Lichen ruber mucosae: weißl. Verfärbung; Lichen ruber erosivus mucosae: mit offenen Stellen) befallen. Wangenschleimhäute und die Zunge sind am häufigsten betroffen, seltener Lippenrot und Anogenitalregion.

Fallbericht:

Im Mai 2006 stellte sich eine 62-jährige Patientin mit ausgedehnten flachen Ulcerationen am äußeren Genitale vor. Zuvor waren über 5 Monate erfolglos Behandlungen mit Fluconazol, Bepanthen und Cortison oral durchgeführt worden. Die Diagnostik ergab einen PAP II, einen positiven HPV 6- und 18-Befund sowie ein metabolisches Syndrom (art. Hypertonie, BMI 44, HbA1c 11%). Die Typisierung erbrachte den HLA-Typ A2, A3; B62, B18; Cw3, Cw7, DR3,-;DQ8, -. Rheumafaktor, Cycl. Citrull. Peptid, C3c, C4, ANCA und ANA befanden sich in der Norm. Mittels Vulva-Biopsie, welche eine erosive Dermatitis mit stärkerer ungleichförmiger Akanthose, mäßiger epithelialer Dysplasie und lichenoider Reaktion mit Pigmentinkontinenz erbrachte, konnte schließlich die Diagnose Lichen ruber erosivus gestellt werden. Zunächst erfolgte eine Therapie mit Braunol-Sitzbädern, Clobethasol 0,05% in DAC Basiscreme, Fucidine-Creme und Protopic 0,1%, welche bis zur Abheilung der Erosionen 2x/d, dann 1x/d und mittlerweile alle 2 Tage angewendet wurde. Seit Beginn dieser Therapie zeigt sich eine deutliche Beschwerdebesserung. 1 Jahr später bestehen scharf begrenzte Residualerytheme im Bereich der Vulva und eine pergamentartige Atrophie ohne Erosionen, Blasen oder Krusten.

Diskussion:

Im vorliegenden Fall kam es nur zu einem Schleimhautbefall und nicht zu den typischen Hautveränderungen, weshalb differentialdiagn. u.a. ein Pemphigus und ein M. Behçet in Betracht kamen. Die Pathopysiologie ist nicht geklärt: Für eine autoimmune Ursache sprechen das gehäufte Auftreten zusammen mit anderen Autoimmunerkrankungen, wie z.B. Diabetes mellitus, Thyreoditis oder Colitis ulcerosa. In unserem Fall heilten nach Einstellung des neu diagnostizierten Diabetes und der Tacrolimus-Therapie die Erosionen ab. Aufgrund der Therapie ist jedoch eine Atrophie entstanden. Es bestehen Hinweise auf eine genetische Disposition, die sich in spezifischen HLA-Konstellationen äußern. Weitere Studien zeigen eine signifikante Assoziation mit HLA class II Antigen DQ7. Auch ein familiäres Auftreten weist auf eine genetische Komponente hin. Wir fanden dafür keinen Anhalt.