Geburtshilfe Frauenheilkd 2007; 68 - P1
DOI: 10.1055/s-2007-988640

Schwangerschaft bei Mitochondrialer Myopathie

N Bock 1, B Hinney 1, T Kuhlmann 1, G Emons 1
  • 1Göttingen

Einleitung:

Mitochondriale Myopathien (Prävalenz ca. 11,8/100000) sind heterogene Erkrankungen: Eukaryontische Zellen enthalten je nach Gewebetyp eine variable Anzahl von Mitochondrien. Liegen in einer Zelle Wildtyp und mutierte mtDNA in Koexistenz vor, kommt es gewebsabhängig zu einer unterschiedlichen quantitativen Verteilung der mtDNA-Mutationen. Überschreitet der Anteil von mutierter mtDNA einen gewissen Prozentsatz, kommt es zu einem kritischen Abfall der Energieproduktion der Zelle und zum Auftreten von klin. Symptomen. Gewebe mit hohem Energiebedarf sind am stärksten betroffen. Es existiert keine kurative Therapie. Leitsymptom bei „Chronisch-progressiver externer Ophthalmoplegie“ und „Ophthalmoplegia plus“ aus der Gruppe der mitochondrialen Myopathien ist eine Ptosis und progrediente Lähmung der Augenmuskeln. Mütter mit mtDNA-Deletion tragen ein 4%iges Risiko, die Mutation zu vererben.

Fallbericht:

Wir berichten über eine 39-jährige, bei der im Alter von 10 Jahren eine Ptose auftrat. Mit 17 Jahren ergab die Biopsie des M. quadriceps femoris li. in der NADH-Reaktion eine Vermehrung der Typ-I-Fasern, wobei einzelne Fasern subsarkolemnal eine erhöhte Oxydationsaktivität aufwiesen (V.a. ragged red fibres); elektronenmikroskop. örtl. Vermehrung/starke Vergrößerung der Mitochondrien ohne Strukturabweichungen, so dass schließlich die Diagnose mitochondriale Myopathie gestellt wurde. In den folgenden 15 Jahren Entwicklung einer Nackenmuskulatur-Schwäche. Anamnestisch zudem Frühaborte 1996 und 01/04, eine EU 12/04 und 05/01 eine VE in der 38. SSW. Die Patientin stellte sich im Z.n. IVF in der 14. SSW erstmals in unserer Klinik vor. Im Verlauf der Gemini-SS Hörsturz mit Tinnitus in der 30. SSW (Normakusis). In der 34. SSW Sectio in PDA; eine Biopsie des M. rectus abd. ergab Muskulatur mit erhöhtem Kaliberspektrum und vermehrtem Nachweis COX-negativer Fasern, vermehrte Fettspeicherung in einigen Fasern, sowie einen MAD-Mangel (vereinbar mit mitochondrialer Myopathie).

Diskussion:

1987 wurde der V.a. CPEO gestellt. Bis auf eine Ptosis und eine leichte Schwäche der Nackenmuskulatur blieb die Pat. beschwerdefrei. Aufgrund der geringen Prävalenz existieren keine Leitlinien oder ähnliche Fallberichte. Wir verabreichten keine Medikamente, die die Atmungskette behindern. Die Sectio erfolgte in PDA; die erneute Biopsie bestätigte das erste Ergebnis. Da eine Energiekrise bei mitochondrialen Myopathien sehr plötzlich einsetzen kann (Schwellenhypothese), ist trotz fehlender Symptome Vorsicht geboten v.a. bei Gabe von Triptanen, Barbituraten, Aminoglykosiden, Chloramphenicol, Tetracyclinen, Laktat und Valproat. Die Neugeborenen zeigten ebenfalls keine Klinik. Die häufigsten Symptome bei Kindern sind eine generalisierte Muskelhypotonie („floppy infant“), psychomotorisch Entwicklungsverzögerung, Laktatazidose und kardiopulmonales Versagen.

Referenzen:

Dt. Gesellschaft f. Neurologie, Expertengruppe. Mitochondriale Erkrankungen. http://www.dgn.org/98.0.html