Z Gastroenterol 2007; 45 - K56
DOI: 10.1055/s-2007-988615

Schwerer Schub einer Pancolitis ulcerosa nach Eradikation von Enterobius vermicularis – Pathophysiologie der protektiven Wirkung einer intestinalen Helminthose bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen

J Büning 1, D von Smolinski 2, F Borcherding 1, M Kohl 3, N Homann 1, D Ludwig 1
  • 1Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Medizinische Klinik I, Bereich Gastroenterologie, Lübeck, Germany
  • 2Universität zu Lübeck, Institut für Anatomie, Lübeck, Germany
  • 3Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Lübeck, Germany

Ein 13-jähriges Mädchen stellte sich mit erstmals und seit 3 Monaten bestehenden blutigen Stühlen (3/d, breiig) und leichten unspezifischen Bauchschmerzen vor. Die Anamnese, körperliche Untersuchung und das Labor erbrachten keine Auffälligkeiten. Koloskopisch zeigte sich das Bild einer Proktitis ulcerosa mit mäßiggradiger Entzündungsaktivität. Zudem fanden sich zahlreiche vitale Madenwürmer im gesamten Colon. Histologisch trug die Proktitis Züge einer Colitis ulcerosa (CU) und einer Helminthen- (Enterobius vermicularis) assoziierten Proktitis. Unter kombinierter Therapie mit Pyrantel und topischem Mesalazin kam es rasch zur Beschwerdefreiheit.

Nach einem halben Jahr stellte sich die Patientin erneut und jetzt mit erheblichem Gewichtsverlust, blutig-wässrigen Durchfällen (10–15/d) sowie ausgeprägten Tenesmen vor; laborchemisch auffällig eine schwere Anämie (Hb 56g/l). Endoskopisch/histologisch lag nunmehr eine hochfloride Pancolitis ulcerosa vor, ohne Hinweise für die vorbestehende Helminthose. Unter Prednisolon und Azathioprin gelang eine rasche Remissionsinduktion und deren Persistenz unter zügigem Ausschleichen der Steroide.

Wir haben vergleichende Untersuchungen (Helminthose vs. CU) von parraffin-eingebetteten Biopsien des prox. Colons bis zum Sigma vorgenommen. Mittels quantitativer RT-PCR fanden wir eine deutlich erhöhte mukosale Expression der anti-inflammatorischen Zytokine IL-10 und TGF-beta während der Helminthose gegenüber einer relativen Dominanz von IFN-gamma und TNF-alpha im Zuge der CU. Passend hierzu zeigte die blande Colonschleimhaut im Rahmen des Wurmbefalls eine eindeutig verstärkte Infiltration der Lamina propria mit Foxp3 (+) regulatorischen T Zellen. Zusammenfassend sahen wir einen schweren Schub einer Pancolitis ulcerosa nach Eradikation einer intestinalen Helminthose durch Enterobius vermicularis. Die initial vorliegende Proktitis könnte retrospektiv Ausdruck einer mäßig aktiven CU sein, jedoch auch als seltene Manifestation einer Enterobius vermicularis-assoziierten Pathologie gewertet werden. Dieser Fall unterstreicht eindrücklich den Stellenwert aktueller Forschungsaktivitäten zur anti-inflammatorischen Immunmodulation (u.a. via Induktion von regulatorischen T Zellen) durch Helminthen bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen.