Z Gastroenterol 2007; 45 - P081
DOI: 10.1055/s-2007-988227

Verlust des Cajalschen-Zell-Netzwerks bei mitochondrialer neurogastrointestinaler Enzephalomyopathie (MNGIE)

V Zimmer 1, W Feiden 2, E Röll 3, S Jung 3, A Zimmer 4, W Reith 4, J Rädle 1, S Zeuzem 1, M Hirano 5, M Menges 6
  • 1Universitätsklinikum des Saarlandes, Klinik für Innere Medizin II, Homburg, Germany
  • 2Universitätsklinikum des Saarlandes, Institut für Neuropathologie, Homburg, Germany
  • 3Universitätsklinikum des Saarlandes, Klinik für Neurologie, Homburg, Germany
  • 4Universitätsklinikum des Saarlandes, Klinik für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie, Homburg, Germany
  • 5Columbia University College of Physicians and Surgeons, Department of Neurology, New York, United States of America
  • 6Diakonie-Krankenhaus, Zentrum für Innere Medizin, Schwäbisch-Hall, Germany

Einführung: MNGIE ist eine seltene, autosomal-rezessiv vererbte Multisystemerkrankung, charakterisiert durch:

1. intestinale Dysmotilität,

2. Kachexie,

3. periphere Neuropathie,

4. Ophthalmoparese/Ptosis,

5. Leukenzephalopathie im MRT und

6. mitochondrialer Dysfunktion.

Der primäre Gendefekt liegt im Thymidin-Phosphorylase-Gen (TP), wodurch Störungen im zellulären Nukleotidpool mit sekundären mitochondrialen DNA-Mutationen/Funktionsstörungen entstehen. Dahingegen ist über die molekularen/histopathologischen Mechanismen der führenden gastrointestinalen Beteiligung wenig bekannt. Die zentrale Rolle der interstitiellen Cajal-Zellen (ICC) als intrinsische Schrittmacher-Zellen und Vermittler enterischer Neuromodulation ist allgemein anerkannt. Veränderungen deren Zelldichte/Integrität wurden mit verschiedenen neurogastroenterologischen Entitäten assoziiert, wurden bislang jedoch im Kontext von MNGIE nicht untersucht. Fall: 35-jährige, kachektische Patientin (32kg, 156cm: BMI 13,5kg/m2), breiig-wäßrige Durchfälle seit drei Jahren. In der Abklärung Nachweis aller oben angeführten klinischen Diagnosekriterien. Im Schädel-MRT ausgedehnte supratentorielle Marklagerhyperintensität mit spektroskopischem Nachweis eines Laktatpeaks. Biochemische und genetische Diagnosesicherung: Thymidin 3,4µM, deoxy-Uridin 12,4µM im Serum; normal <0,05µM – compound-Heterozygotie des TP-Gens: G722T und G801A: (Prof. Hirano, New York).

Neuropathologie: Material: Paraffin-Block einer Vollwandbiopsie aus dem Ileum. Insgesamt regelrechter Schichtaufbau der Dünndarmwand mit unauffälligem Nervenzellgehalt/-morphologie und Nervenfaser-Bestückung. In der Immunhistochemie mit CD117 (ckit) und CD34 gelingt keine Darstellung des Cajalschen-Zell-Netzwerks bei guter Anfärbbarkeit der Lamina propria-Mastzellen als endogene Positivkontrolle. Außerdem mehrfach unauffällige exogene Positivkontrolle mit normalem Dünndarmgewebe.

Diskussion: Bei Patienten mit gastrointestinaler Motilitätsstörung sollte ein MNGIE in die Differentialdiagnostik miteinbezogen werden. Eine Degeneration des Cajalschen-Zell-Netzwerks wurde bislang nicht beschrieben. Insgesamt könnte dem Verlust der regelrechten ICC-Funktion eine pathogenetische Bedeutung für die MNGIE-assoziierte gastrointestinale Dysmotilität zukommen.