Aktuelle Neurologie 2007; 34 - P817
DOI: 10.1055/s-2007-988086

Intraarterielle Thrombolyse bei Mediainfarkt – ist eine orale Antikoagulation in jedem Fall eine Kontraindikation?

B Gaida-Hommernick 1, A Dressel 1, S Langner 1, N Lubenow 1, AV Khaw 1
  • 1Greifswald

Hintergrund: Bei einem Schlaganfall stellt die Thrombolyse mittels rt-PA eine wichtige therapeutische Option während eines Zeitfensters von bis zu 3 bzw. 6 Stunden dar. Bei mit Vitamin K-Antagonisten antikoagulierten Patienten mit einer INR >1,5 ist eine systemische bzw. intraarterielle Thrombolyse kontraindiziert. Wir stellen den Fall einer intraarteriellen Thrombolyse unter therapeutischer oraler Antikoagulation vor.

Methode: Fallbericht.

Ergebnisse: Eine 72-jährige Patientin wird 2 Stunden nach Beginn der neurolog. Symptomatik (globale Aphasie, beinbetonte 3°Hemiparese rechts, Hemihypästhesie und -algesie rechts) stationär zugewiesen. Der NIHSS liegt bei 10 Punkten. Es besteht eine orale Antikoagulation bei absoluter Arrhythmie bei Vorhofflimmern (INR 2,5). Das cerebrale CT weist diskrete Frühzeichen eines linksseitigen Mediainfarktes auf, in der CT-Perfusion findet sich ein ausgeprägtes Missmatch. CT-angiographisch lässt sich ein Verschluss der A. cerebri media links (MCA) im M1-Segment nachweisen.

3 Stunden nach Symptombeginn liegt mit einer Hemiplegie rechts eine Verschlechterung des neurologischen Status vor. Nach eingehender Nutzen-Risiko-Abwägung wird die Entscheidung zur Durchführung einer intraarteriellen Thrombolyse getroffen, nachdem mit Vitamin K, Antithrombin III und Prothrombinkomplex (PPSB) eine Normalisierung der INR (1,5) vorgenommen worden ist.

5 ½ Stunden nach Symptombeginn Start der intraarteriellen Thrombolyse mittels 70mg rt-PA. Es gelingt eine vollständige Rekanalisierung der linken MCA.

In den Kontroll-CT demarkieren sich ein kleinerer Mediainfarkt links u.a. in den Stammganglien und der Region der Insula sowie links parietal, aber auch ein Mediateilinfarkt rechts frontal sowie parietal.

Im Folgenden kommt es zu einer Besserung des neurologischen Status: Die Hemiparese rechts (Arm Kraftgrad 4/5, Bein Kraftgrad 2–3) und die Aphasie sind deutlich rückläufig.

Diskussion: In diesem Einzelfall hat die Thrombolyse nach Normalisierung des Gerinnungsstatus nicht zu wesentlichen Komplikationen geführt und vermutlich die Prognose der Patientin verbessert.

Bei der Normalisierung der Gerinnungsparameter durch PPSB muss die transiente Hyperkoagulabilität bedacht werden. Wichtig sind die parallele Gabe von Vitamin K sowie die Beachtung des Antithrombin III- Spiegels. Wir halten die lokale Thrombolyse nach Normalisierung des Gerinnungsstatus bei antikoagulierten Patienten als Heilversuch bei einem selektierten Patientenkollektiv für gerechtfertigt.