Aktuelle Neurologie 2007; 34 - P808
DOI: 10.1055/s-2007-988077

Intravenöse Thrombolyse bei Schlaganfall-Patienten trotz Gegenanzeigen?

T Krause 1, A Stoll 1, J Berrouschot 1
  • 1Altenburg

Hintergrund: Die Angst vor Nebenwirkungen (v.a. sekundäre Hirnblutung) und die rigide Umsetzung der Zulassungsbeschränkungen sind als Ursachen einer immer noch sehr geringen Thrombolyse-Rate bei Patienten mit akutem ischämischen Schlaganfall anzusehen.

Wir untersuchten, wie viele Patienten auf unserer Stroke Unit trotz Gegenanzeigen lysiert wurden, wie oft Nebenwirkungen, vor allem sekundäre Hirnblutungen, auftraten, wie das Outcome nach 3 Monaten war und wir verglichen dies mit den protokollgerecht behandelten Patienten.

Methodik: Prospektive monozentrische Untersuchung. Jeder Patient erhielt vor Thrombolyse eine CT oder MRT sowie eine MRT nach 24 Stunden bzw. 5–7 Tagen. Nach 3 Monaten wurde die Modified Rankin Scale (mRS) erhoben.

Ergebnisse: Im Zeitraum von 01/2004 bis 12/2006 wurden 171 Patienten (94Männer, 77 Frauen, mittleres Alter 70,2 Jahre; NIH-SS 13,5 Punkte) lysiert. Bei 76/171 (44%) Patienten lagen Gegenanzeigen vor (Mehrfachnennung): 37 (21%) Patienten Alter >80 Jahre, 27 (15%) Patienten RR >200mmHg, 8 (5%) Patienten mit krankhafter Gewebsneubildung bzw. im Zeitfenster >3 Stunden, 6 (4%) Patienten mit altem Hirninfarkt + Diabetes mellitus, 5 (3%) Patienten mit Hirninfarkt innerhalb der letzten 3 Monate, 4 (2%) Patienten mit Phenprocoumontherapie und 4 (22%) mit Operation innerhalb der letzten Woche.

Es gab keine signifikanten Unterschiede zwischen den protokollgerecht behandelten Patienten und den sog. Protokollverletzern hinsichtlich des guten Outcome (mRS 0–1: 51% vs. 43%), der Letalität (13% vs. 17%), der sekundären symptomatischen Hirnblutungsrate (1% vs. 1%).

Schlussfolgerungen: Knapp die Hälfte der Patienten hätte nach den Zulassungsbeschränkungen nicht lysiert werden dürfen. Die häufigsten Protokollverletzungen waren Alter >80 Jahre und systolischer RR >200mmHg vor der Thrombolyse.

Gründe für die trotzdem niedrigen Komplikationsraten sind das strikte Einhalten des Zeitfensters von 3 Stunden, ein pedantisches Blutdruck-Management vor, während und nach der Thrombolyse und die pathophysiologisch nicht begründbaren Zulassungsbeschränkungen.

Es sollte über die Sinnhaftigkeit bestimmter Gegenanzeigen nachgedacht werden.