Aktuelle Neurologie 2007; 34 - P742
DOI: 10.1055/s-2007-988011

Zerebrale Tuberkulose: Die Therapie muss auch ohne Erregernachweis erfolgen

A Milkereit 1, E Möbius 1, P Berlit 1
  • 1Essen

Hintergrund: Da der Beweis einer zerebralen Tuberkulosemanifestation durch den direkten Erregernachweis im Liquor nur in etwa 50% der Fälle gelingt, muss die Diagnose der in etwa 10–20% letal verlaufenden Erkrankung anhand der klinischen, bildmorphologischen und liquorchemischen Gesamtkonstellation gestellt werden.

Fall: Wir berichten über einen 50-jährigen Patienten asiatischer Herkunft, der sich wegen rezidivierender Sturzereignisse, unsystematischem Schwindel, fluktuierenden Sehstörungen und Abgeschlagenheit vorstellte. Klinisch-neurologisch zeigte sich ein dissoziierter Blickrichtungsnystagmus nach links neben einem unsicheren Gangbild bei ungerichteter Fallneigung. Relevante Vorerkrankungen wurden verneint. In der kranialen Kernspintomographie kamen multiple, bis zu 1,8cm große, randständig kontrastmittelaufnehmende Läsionen im Bereich des Hirnstammes zur Darstellung. Wir stellten die Erstdiagnose einer HIV-Infektion. Liquorchemisch zeigte sich eine gemischtzellige Pleozytose (Zellzahl 1030/µl), der Liquorglukosegehalt (26mg/dl) war erniedrigt, das Liquorprotein deutlich erhöht (153mg/dl). Eine weiterführende Serum- und Liquordiagnostik inkl. der Untersuchung auf Parasiten, Mykobakterien, Pilze und neurotrope Erreger ergab keinen wegweisenden Befund. Im Verlauf kam es zu einer deutlichen Verschlechterung der Klinik mit Hornersyndrom links sowie rechts- und beinbetonter ataktischer Hemiparese. Anhand der Klinik, des Liquorstatus und der MR-tomographischen Befunde diagnostizierten wir trotz fehlendem Erregernachweis eine tuberkulöse Meningoencephalitis als Erstmanifestation einer HIV-Infektion und begannen umgehend eine tuberkulostatische Therapie (4er Kombination der Antibiotika Isoniazid, Rifampicin, Pyrazinamid und Ethambutol). 4 Wochen später konnte der Patient in deutlich gebessertem Zustand in die stationäre Rehabilitation entlassen werden. Die kernspintomographische Kontrolle dokumentierte eine eindrückliche Verbesserung des Befundes. Bei der klinischen Verlaufsuntersuchung ein halbes Jahr später war der Patient beschwerdefrei und der neuroradiologische Befund komplett reversibel (siehe auch Abb.1 und Abb.2).