Aktuelle Neurologie 2007; 34 - P700
DOI: 10.1055/s-2007-987970

Prognose der Amyotrophen Lateralsklerose unter differenzierter Berücksichtigung des Manifestationsortes

P Kraft 1, M Beck 1, K Reiners 1
  • 1Würzburg

Fragestellung: Bei der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS) ist eine frühzeitige individuelle Prognoseeinschätzung für eine adäquate palliative Therapie essentiell. Auch die Planung und Interpretation der Ergebnisse klinischer Therapiestudien können hiervon abhängig sein. Ziel der retrospektiven Analyse war es darzustellen, ob für unterschiedliche Manifestationsorte (bulbär, Extremitäten insgesamt, Arm proximal vs. distal, Bein proximal vs. distal) epidemiologische und klinische Parameter mit der Überlebenszeit (d) korrelieren.

Methoden: Als klinisches Zeichen der Krankheitserstmanifestation wurden Parese, Atrophie oder spastische Bewegungsstörung bei einer später gesicherten ALS gewertet. 534 verstorbene Patienten wurden auf Alter (gruppiert nach >55J bzw. ≤55J.), Geschlecht, Body mass index (BMI) bei Krankheitsbeginn und Latenz bis zur definitiven Diagnosestellung hin untersucht. Der Einfluss dieser Parameter auf die Überlebenszeit wurde in Abhängigkeit vom Manifestationsort retrospektiv analysiert. Die Region selbst wurde in ihrer Bedeutung für die Überlebensprognose untersucht.

Ergebnisse: Unter 55-Jährige haben bei Primärmanifestation am Oberarm einen signifikanten Überlebensnachteil gegenüber Patienten mit ersten Krankheitszeichen am Unterarm (1169±261 vs. 1815±217d; p=0,019). Bei Patienten mit Beginn an den Armen zeigte sich kein signifikanter Überlebensunterschied zu Patienten mit primärer Manifestation an den Beinen. Die Überlebenszeit bei bulbärem Beginn (MW 983±78d) ist signifikant kürzer als bei Manifestation an den Extremitäten insgesamt (MW 1266±51d, p<0,0001). Bei bulbärem Beginn leben insbesondere Männer signifikant kürzer (MW 877±80d) als Frauen (MW 1116±141d, p=0,015). Bei Manifestation an den Extremitäten zeigt das Geschlecht keinen Einfluss auf die verbleibende Überlebenszeit. Der Ausgangs-BMI beeinflusst signifikant positiv das Überleben von Patienten mit Krankheitsmanifestation an den Extremitäten, hier besonders an den Armen. Die Latenz bis zur Diagnosestellung korreliert (außer bei Manifestation proximal an den Beinen) in allen Fällen mit dem Überleben.

Schlussfolgerungen: Das Wissen des exakten primären Manifestationsortes kann zusammen mit anderen klinischen und epidemiologischen Parametern eine zusätzliche Hilfe sein, um eine genauere Aussage zur Lebenszeitprognose bei der ALS geben zu können.