Aktuelle Neurologie 2007; 34 - P686
DOI: 10.1055/s-2007-987957

Aktions-spezifische Aktivierung im inferioren frontalen Kortex beim Satzverstehen

A Baumgaertner 1, F Binkofski 1
  • 1Hamburg, Lübeck

Hintergrund: Die Theorie des 'embodiment' postuliert, dass die Wahrnehmung von zielgerichteten objektbezogenen Handlungen ('Aktionen', z.B. mit einem Schlüssel ein Schloss aufschließen) sensomotorische Areale aktiviert, die auch in die Ausführung solcher Aktionen involviert sind. Neuere Ergebnisse funktioneller Bildgebungsstudien lassen vermuten, dass der inferiore frontale Kortex der linken Hemisphäre, jenseits seiner traditionellen Rolle in der Sprachproduktion, eine wichtige Rolle bei der Enkodierung der Inhalte solcher Aktionen spielt, unabhängig von den spezifischen Bewegungsparametern oder der perzeptuellen Modalität. Bisherige fMRT-Studien liefern zwar Hinweise auf den Mechanismus des ‘embodiment' auch beim Verstehen von aktionsbezogenen Wörtern oder Sätzen, lassen jedoch keine Rückschlüsse über die Spezifität dieser Aktivierung zu.

Methoden: Diese ereigniskorrelierte funktionelle MRT-Studie untersuchte, ob die Verarbeitung gesprochener Sätze, die zielgerichtete, objektbezogene Handlungen darstellen, zu einer Erhöhung des BOLD-Signals im linken inferioren frontalen Kortex führt. Um die Spezifität des Effektes für Aktionen zu überprüfen, wurden in der Vergleichsbedingung Sätze verwendet, die unbelebte Bewegungen darstellten (z.B. Sand, der von einer Düne rieselt). Um eine konzeptuelle Verarbeitung der Sätze zu induzieren, befanden sich unter den Stimuli der jeweiligen Bedingung einige inkongruente Sätze (z.B. Wolken, die über einen Kuchen ziehen). Neunzehn Probanden (20–41 Jahre) beurteilten nach jedem Satz, ob er kongruent oder inkongruent war, und teilten ihre Entscheidung per Mausklick mit.

Ergebnisse: Ein direkter Vergleich der Aktions- mit den Bewegungssätzen zeigte links-lateralisierte Aktivierung vorrangig im hinteren Aspekt des Broca-Areals (pars opercularis). Der umgekehrte Kontrast (Bewegungs- verglichen mit Aktionssätzen) zeigte keine signifikante Aktivierung.

Schlussfolgerungen: Die inhaltliche Verarbeitung von Sätzen, die zielgerichtete objektbezogene Handlungen darstellen, resultiert in spezifischer Aktivierung des inferior-frontalen Kortex der linken Hemisphäre. Dieses Ergebnis unterstützt Theorien, die postulieren, dass die Ausformung eines Aktions-Konzepts an die sensorischen und motorischen Merkmale einer bestimmten Aktion gebunden ist ('embodied neural theory of concepts', Gallese & Lakoff, 2005). Implikationen für Patienten mit Aphasie und Apraxie werden diskutiert.