Aktuelle Neurologie 2007; 34 - P655
DOI: 10.1055/s-2007-987926

Bilaterale „Hippocampektomie“ im Rahmen einer Theophyllin-Intoxikation

Z Kohl 1, G Uyanik 1, R Lürding 1, G Schuierer 1, U Bogdahn 1, M Schröder 1, N Weidner 1
  • 1Regensburg

Unter der Therapie mit Theophyllin kann es vermehrt zu epileptischen Anfällen im Sinne von Gelegenheitsanfällen kommen, die vor allem bei erhöhten Serumkonzentrationen beobachtet werden. Wir beschreiben hier den Fall eines abgesehen von einer COPD bisher völlig gesunden 55-jährigen Patienten, der im Rahmen eines durch exzessiven Alkoholgenuss bedingten Verwirrtheitszustandes eine hohe Dosis Theophyllin eingenommen hatte. Im Verlauf kam es zu einer Serie von Grand Mal-Anfällen, die zur stationären Aufnahme führte. Der Patient war bei Aufnahme desorientiert, teilweise agitiert, ansonsten neurologisch unauffällig. Bei respiratorischer Erschöpfung musste der Patient beatmet werden. Aufgrund einer Aspirationspneumonie erfolgte eine antibiotische Behandlung, außerdem wurde bei einem Theophyllinspiegel von 58µg/dl eine forcierte Diurese durchgeführt und der Patient mit Aktivkohle behandelt. Darunter sank der Theophyllinspiegel rasch ab, die Infektkonstellation war rückläufig. Am 3. Tag konnte der Patient komplikationslos extubiert werden. Bei ansonsten unauffälligem neurologischem Befund imponierten massive Gedächtnisstörungen. Die neuropsychologische Diagnostik ergab, dass Langzeitgedächtnisleistungen wesentlich drastischer vermindert waren als Arbeitsgedächtnisleistungen im Sinne einer schweren Beeinträchtigung temporaler Funktionen beidseits. Epilepsietypische Veränderungen im Sinne eines non-konvulsiven Status ließen sich mittels Oberflächen-EEG ausschließen, ein HMPAO-SPECT zeigte keine auf eine (non-konvulsive) Anfallsaktivität hinweisende Hyperperfusion. In der cerebralen MRT fanden sich Signalveränderungen in beiden Hippocampi. Die im Verlauf durchgeführte neuropsychologische Testung zeigte nach einer 8-wöchigen Rehabilitationbehandlung zwar eine signifikante Verbesserung der Enkodierung, temporale Funktionen waren aber weiterhin drastisch vermindert. Dazu passend ergab das MRT bereits 3 Monate nach dem Akutereignis eine ausgeprägte Hippocampus-Atrophie beidseits. Wir beschreiben hier den ersten Fall einer irreversiblen selektiven bilateralen Hippocampusläsion, die in der Folge einer Grand Mal-Serie bei Theophyllinintoxikation aufgetreten ist. Pathophysiologisch ist zu diskutieren, ob die Theophyllinintoxikation durch die Blockade von Adenosin-Rezeptoren zu einer erhöhten Vulnerabilität (respektive Exzitabilität) und in der Folge zur irreversiblen iktogenen Schädigung der Hippocampi – in Analogie zum Aminophyllin-modifizierten bzw. Aminophyllin-induzierten experimentellen Status epilepticus-Tiermodell – geführt hat.