Aktuelle Neurologie 2007; 34 - P644
DOI: 10.1055/s-2007-987915

Differentialdiagnostische Einordnung einer atypischen Hirnblutung bei bekanntem Mamma-Karzinom

S Poerwowidjojo 1, D Linden 1, P Berlit 1
  • 1Essen

Eine 73-jährige Patientin wurde notfallmäßig wegen eines erstmaligen Grand mal aufgenommen. Anamnestisch war ein Mammakarzinom rechts mit Ablatio und Radiatio vor einem Jahr bekannt. Klinisch zeigte die Patientin eine Todd'sche Parese rechts, eine fehlende Sprachproduktion sowie einen prolongierten postiktalen Dämmerzustand. Die initiale Computertomographie bot links fronto-parietal eine intracerebrale Blutung (ICB) bei Verdacht auf Metastase des Mammakarzinoms (Abb.1).

Im MRT wurde die vermeintliche Metastase als eingeblutetes Kavernom gedeutet (Abb.2). Die Patientin wurde antikonvulsiv eingestellt.

Trotzdem kam es zwei Tage später zu einem Status rechtsseitiger einfach-fokaler motorischer Anfälle. Klinisch war die Patientin psychomotorisch verlangsamt mit einer mittelgradigen Hemiparese rechts. Zusätzlich fielen eine schwere Auge-Hand-Koordinationsstörung, ein motorischer Neglect, eine ideomotorische Apraxie sowie eine Rechts-Links-Schwäche auf. Kopfschmerzen wurden verneint.

Eine erneute MRT zeigte Stauungsinfarkte parietookzipital beidseits bei Sinus sagittalis superior-Thrombose (Abb.3). Labordiagnostisch waren die D-Dimere massiv erhöht (1400ng/ml) und es wurde eine heterozygote Faktor V Leiden Mutation festgestellt. Nach initialer Vollheparinisierung und anschließender oraler Antikoagulation kam es zu einer vollständigen Erholung.

Der Fall macht deutlich, dass bei einer atypisch gelegenen ICB immer auch die Stauungsblutung bei Sinusthrombose in die Differentialdiagnose mit einbezogen werden muss und eine diagnostische Festlegung aufgrund neuroradiologischer Befunde alleine gefährlich ist.