Aktuelle Neurologie 2007; 34 - P611
DOI: 10.1055/s-2007-987882

Gen-Dosisanalyse im Dystrophin-Gen durch MLPA

W Kress 1, G Meng 1, U Grieben 1, M Stötter 1, HM Straßburg 1, CR Müller-Reible 1
  • 1Würzburg, Berlin, Tübingen

Die verlässliche Gendosisanlyse einzelner Exone des Dystrophin-Gens ist erst kürzlich durch die MLPA-Methode (multiplex ligation-dependent probe amplification) möglich geworden. In zwei Reaktionsansätzen werden jeweils 40 Fragmente quantifiziert (79 kodierende Exone und der Muskelpromotor). Exon-Deletionen und -Duplikationen (ca. 70% aller Mutationen im Dystrophin-Gen) lassen sich sowohl bei männlichen Patienten als auch weiblichen Überträgerinnen einer Duchenneschen bzw. Beckerschen Muskeldystrophie nachweisen.

Mehr als 600 Patientenproben wurden seit Mitte 2004 mit der neuen MLPA-Methode analysiert und eine Reihe von bisher nicht detektierbaren Deletionen und vor allem Duplikationen aufgedeckt. Der Nachweis dieser Mutationen bei Überträger-Frauen war bisher nicht verlässlich (Unterschied zwischen einer zweifachen und dreifachen Gendosis bei Duplikationen!). Diagnostische Fälle werden gezeigt.

Beispiele für komplexe Rearrangement im Dystrophin-Gen: Ein DMD-Patient mit geistiger Entwicklungsverzögerung zeigte klar eine Duplikation von Exon 42–43 unmittelbar gefolgt von einer Deletion der Exone 44–47 in der MLPA. Bis vor zwei Jahren war die Aufklärung nur über eine Transkriptanalyse möglich. In einem weiteren DMD-Patienten wurde eine „perforierte“ Deletion gefunden, also eine Deletion an zwei verschiedenen Stellen im Gen (Exon 13 und Exone 17–19). In einer arabischen Familie wurde eine „perforierte“ Duplikation bei Mutter und Sohn (DMD Phänotyp) gefunden (Exone 2–12 und Exone 51–60); die manifestierende Schwester des Patienten mit einer Kardiomyopathie wies eine große Deletion (Exone 13–50) auf. Die de novo-Entstehung dieser Deletionen lässt sich mechanistisch nachvollziehen.

Schlussfolgerung: Die MLPA ist eine perfekte Methode der quantitativen Genanalyse und in der Lage auch komplizierte Rearrangements aufzudecken. Das Dystrophin-Gen scheint wegen seiner Größe und inneren Struktur (sehr große Introns, hot spots of recombination) dafür besonders anfällig zu sein. Für eines der obigen Beispiele lässt sich der Umbaumechanismus im Gen zeigen.