Aktuelle Neurologie 2007; 34 - P580
DOI: 10.1055/s-2007-987851

Prolongierte low-dose systemische Thrombolyse bei ausgedehnter Sinus-/Hirnvenenthrombose

AV Khaw 1, B Gaida-Hommernick 1, B Sehm 1, M Kirsch 1, K Selleng 1
  • 1Greifswald

Hintergrund: Die wissenschaftliche Evidenz für das optimale therapeutische Management in der Akutphase einer Sinus-/Hirnvenenthrombose (SVT) ist noch unzureichend. Insb. bei progredienter klinischer Verschlechterung und ausgedehnten SVT werden in individuellen Heilversuchen neuroradiologische Interventionen (mechanisch, rheolytisch, thrombolytisch und kombiniert) zunehmend eingesetzt. Alternativen, speziell technisch einfachere und kostengünstigere, sind bislang praktisch nicht getestet worden.

Methode: Fallbericht. Eine 57-jährige Frau wurde nach 3-tägigem Prodrom von occipital betonten Kopfschmerzen, Übelkeit/Erbrechen in ein lokales Krankenhaus eingewiesen und aufgrund progredienter Antriebsstörung und der im nativen CCT suspekten Hyperdensität der medianen Sinus mit der Verdachtsdiagnose SVT zu uns verlegt. Klinischer Verlauf: zunächst wach mit leichtgradiger rechtsseitiger Hemiparese, ausgeprägte Apraxie (einschl. orobuccolinguale); Verschlechterung der Vigilanz noch am Aufnahmetag zur Somnolenz, des Psychosyndroms mit Apathie, Amnesie und aphasischen Symptomen. Angesichts des symmetrischen ausgedehnten Thrombosebefundes in der CT-Venographie (CT-V) mit tiefer Hirnvenenbeteiligung (Sinus sagittalis sup., beide Ss. transversi, S. rectus, V. Galeni, beide Vv. cerebri int.), dem beginnendem Hirnödem und der klinischen Progredienz wurde nach Ausschluss von venösen Infarkten und Hämorrhagien im MRI eine prolongierte systemische intravenöse Thrombolyse mit rt-PA in einer Dosierung von 2mg/h (bzw. ca. 0,6ug/kg x min) über 24h als individueller Heilversuch einem lokalen transvenösen Vorgehen vorgezogen. Bereits nach 12h zeigte sich eine Verbesserung der Vigilanz zu spontaner Wachheit, verbaler Kommunikationsfähigkeit mit nur geringen aphasischen Symptomen und der Antriebsstörung, so dass die iv-Thrombolyse nach 24h mit einer rt-PA-Gesamtdosis von 48mg beendet wurde. In CT-V-Kontrollen 2 und 9 Tage nach Aufnahme stellte sich eine zunehmende partielle Rekanalisierung dar, begleitet von klinischer partieller Rückbildung.

Diskussion: Für eine klinisch und radiologisch schwerwiegende kombinierte Sinus-/Hirnvenenthrombose ohne definitive Infarkte und Hämorrhagien kann angesichts fehlender evidenzbasierter Therapioptionen eine prolongierte, niedrig dosierte systemische Thrombolyse als „salvage“-Therapie versucht werden. Rationale für die Therapieentscheidung und Pro und Contra zu Alternativen werden diskutiert.