Aktuelle Neurologie 2007; 34 - P531
DOI: 10.1055/s-2007-987802

Visuelles Feedback und Prädiktion bei der Kompensation fehlender somato-sensorischer Afferenzen

J Hermsdörfer 1, Z Elias 1, J Cole 1, DA Nowak 1
  • 1München; Southampton, UK; Köln

Visuelles Feedback ist für Patienten mit somato-sensorischen Störungen zur Kompensation des Defizits von zentraler Bedeutung. Feinmotorische Griffkräfte bei Objektmanipulation sind dagegen nur in geringem Maße visuell kontrollierbar. Diese Studie überprüft die Rolle von visuellem Feedback und Prädiktion bei der Kontrolle der Griffkraft in einem Hebeparadigma.

Zwei Patienten (GL und IW) mit chronischem Verlust aller sensorischer Afferenzen unterhalb des Niveaus von Nase (GL) bzw. Nacken (IW) und gesunde Kontrollpersonen nahmen an der Studie teil. Die Aufgabe bestand in wiederholtem Heben von Boxen mit zufällig wechselndem Gewicht (0,3 und 0,6kg) und Größe (10cm3 und 20cm3) mit und ohne visueller Kontrolle (Augen offen vs. geschlossen) des Hebevorgangs. Die produzierte Griffkraft diente als Maß für die Prädiktion und die Antizipation der Objekteigenschaften.

Kontrollpersonen passten die Griffkraft weitgehend unabhängig von visuellem Feedback präzise dem Gewicht des Objekts an. GL und IW verwendeten vor allem beim Heben ohne visuelles Feedback massiv erhöhte Griffkäfte, die weitgehend unabhängig vom Gewicht der Objekt waren. Konnten sie jedoch den Hebevorgang visuell verfolgen, so war die Griffkraft niedriger und signifikant vom Objektgewicht abhängig. Die Größe der Box und das Gewicht beim vorhergehenden Hebedurchgang wurden dagegen von Kontrollpersonen und von den Patienten in nur geringem Maße zur Prädiktion des Objektgewichts eingesetzt.

Die Ergebnisse belegen die Fähigkeit der Patienten trotz fehlender direkter afferenter Informationen die Objekteigenschafen zu erfassen. Die Notwendigkeit von visuellem Feedback unterstreicht dessen Bedeutung bei dieser Kompensation. Indirekte Hinweise auf Objekteigenschaften wie Größe und Gewicht werden dagegen zumindest in dem untersuchten Paradigma in geringem Maß zur Anpassung der Griffkraft benützt. Interne Modelle zur Prädiktion physikalischer Objektcharakteristika bedürfen möglicherweise intermittierendem Updating durch somato-sensorisches Feedback.