Aktuelle Neurologie 2007; 34 - P431
DOI: 10.1055/s-2007-987702

Akutes neurologisches Defizit fehlinterpretiert als Nebenwirkung von Disulfiram

J Mutschler 1, C Binder 1, A Diehl 1, F Kiefer 1
  • 1Mannheim, Allensbach

Disulfiram ist inzwischen über 50 Jahre für die Behandlung der Alkoholabhängigkeit zugelassen. Gegenwärtig erleben wir eine Renaissance an Verschreibungen von Disulfiram in Deutschland. Umso wichtiger erscheinen ärztliche Kenntnisse bezüglich Wirkung, Nebenwirkung und Wechselwirkung der Substanz Disulfiram: Es wirkt über die psychologische Abschreckung vor einer möglichen Disulfiram-Alkohol-Reaktion (ADR). Disulfiram hemmt die Aldehyd-Dehydrogenase irreversibel, die für den Abbau von Acetaldehyd zu Acetat beim Alkoholabbau verantwortlich ist. Die Akkumulierung von Acetaldehyd führt zu der sogenannten ADR mit bereits rasch nach Alkoholkonsum auftretendem vegetativem Symptomenkomplex. Nebenwirkungen sind relativ mild und beinhalten: Müdigkeit, Kopfschmerzen, allergische Dermatitis, unangenehmer Körpergeruch und Impotenz. Durch Hemmung der Dopamin-ß-Hydroxylase führt Disulfiram cerebral zu erhöhten Dopaminspiegeln, was zu psychotischen Symptomen führen kann. Potentiell gefährlich sind die toxische Hepatitis (ca. 1 in 25 000 behandelten Patienten) und die Laktat-Azidose. Kontraindikationen ergeben sich für Patientinnen in der Schwangerschaft und Patienten mit kardiovaskulären, zerebrovaskulären Erkrankungen, dekompensierter Leberzirrhose, Ösophagusvarizen und Hyperthyreose.

Konsens besteht inzwischen darin, dass Disulfiram nur als Teil eines umfassenden Therapieprogrammes im Rahmen einer Einnahme unter therapeutischer Aufsicht erfolgen sollte [1].

Es wird ein Fall vorgestellt, bei dem ein akutes neurologisches Defizit als Disulfiram-Nebenwirkung verkannt wurde.

Literatur: 1. J. J. Suh, et al., “The status of disulfiram: a half of a century later,“ J. Clin. Psychopharmacol. 26(3), 290 (2006)