Aktuelle Neurologie 2007; 34 - P420
DOI: 10.1055/s-2007-987691

Diagnostisches Dilemma – Hashimoto-Enzephephalopathie, Opiodpsychose oder wahnhafte Depression

C Schrader 1, M Ziegenbein 1, P Garlipp 1
  • 1Hannover

Hintergrund: Über wenige Tage progrediente psychomotorische Verlangsamung, Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörung sowie Beeinflussungserleben können differentialdiagnostisch eine Herausforderung sein.

Kasuistik: Wir berichten den Fall einer Frau, die sich im Alter von 37 Jahren getrieben, ängstlich-depressiv mit zerfahrenem Denken und Verfolgungswahn in unserer psychiatrischen Klinik vorstellte. Wegen chronischer Schmerzen nach Sternumteilresektion nahm seit dem 35. LJ 400mg Tramadol/Tag und seit dem 36. LJ nach einer dissoziativen Störung nach akuter Belastungsreaktion 4mg Fluanxol ein. cMRT, EEG und umfangreiche Laboruntersuchungen ergaben normale Befunde inkl. einer euthyreoten Stoffwechsellage. Anti-TPO-AK >4000U/l, Anti-TG-AK 386U/l. Die Diagnose einer akuten transienten psychotischen Störung wurde gestellt und 10mg Olanzapin eindosiert, Tramadol auf 25mg reduziert. Psychotisches Erleben und Konzentration besserten sich über 3 Wochen.

Nachdem ihr Zustand ambulant 5 Jahre unter Fluanxol, Lorazepam und Fluoxetin stabil war, sie aber weiterhin 400mg Tramadol einnahm, entwickelte sie erneut neuropsychiatrische Symptome: innere Unruhe, Konzentrationsstörungen und Ängsten entwickelten sich über 2–4 Wochen. Bei Aufnahme zeigte sie sich psychomotorisch auffällig langsam, in affektiv-gedrückter Stimmung, aber gut schwingungsfähig, darüber hinaus jedoch lediglich einen leichten, hochfrequenten Haltetremor. Es fand sich kein Hinweis für psychotisches Erleben, regelrechter Antrieb und geordneter Gedankengang. Im Mini-Mental-State-Examination (MMSE) erzielte sie 23/30 Punkten, in der Mattis-Dementia-Rating-Scale (Mattis-DRS) 111/144 Punkten mit Defiziten vorwiegend der Initiation und Perseveration sowie der Konzeptbildung und dem Gedächtnis. Eine cMRT und ein EEG sowie erneute umfangreiche Labordiagnostik ergaben keinerlei richtungsweisenden Befunde. Euthyreose, TPO-AK 213 U/L.

Das Tramadol wurde ohne Entzugszeichen abgesetzt, eine Behandlung mit 60mg Prednisolon begonnen. Nach 3–4 Tagen besserten sich Psychomotorik und Konzentration. 14 Tage nach Beginn der Steroidbehandlung lagen MMSE bei 29/30 und Mattis-DRS bei 137/144. Psychotische Zeichen traten unrer Steroid nicht auf.

Diskussion: Momentan halten wir die Hashimoto-Enzephalopathie für die wahrscheinlichste Differentialdiagnose und eine Euthyreose schließt Schilddrüsen-assoziierte Erkrankungen nicht aus. Das klinische Bild dieses Syndroms ist wahrscheinlich vielfältiger als bislang beschrieben.