Aktuelle Neurologie 2007; 34 - M288
DOI: 10.1055/s-2007-987593

Chronisch erhöhte Blutzuckerspiegel führen zu funktioneller und struktureller Hirnschädigung

H Wersching 1, H Lohmann 1, T Duning 1, C Stehling 1, S Knecht 1
  • 1Münster

Fragestellung: Diabetes mellitus kann durch die gewebstoxische Wirkung der Glukose sowie die Bildung und Akkumulation von glykosilierten Proteinen zu zahlreichen Organschäden führen, u.a. ist er ein Risikofaktor für die Ausbildung von Atherosklerose (Arteriosklerose, Arteriolosklerose, Mikroangiopathie). Darüberhinaus finden aktuelle Studien eine verminderte kognitive Leistungsfähigkeit bei Patienten mit Diabetes mellitus. Es gibt weiterhin Hinweise für eine vermehrte Hirnatrophie bei älteren Menschen mit erhöhtem HbA1c. Unsere Studie untersucht, ob entsprechende morphologische wie funktionelle Defizite bei gesunden älteren Probanden mit dem Ausmaß des Blutglukosespiegels, gemessen mittels HbA1c, korrelieren.

Methoden: Bei 300 gesunden Teilnehmern (50–79 Jahre) der SEARCH-HEALTH Study wurde eine ausführliche neuropsychologische Testung, eine 3-Tesla-MRT-Untersuchung des Kopfes sowie eine Blutserumbestimmung auf HbA1c durchgeführt. T1-gewichtete Datensätze wurden für die automatische Bestimmung von globalem sowie regionalem Hirnvolumen genutzt (SIENAX-software).

Ergebnisse: In einer vorausgehenden univariaten Analyse mit den Faktoren Alter, Bildung, Geschlecht, systolischer und diastolischer Blutdruck, BMI, Serumcholesterin, HbA1c, Alkohol- und Zigarettenkonsum zeigten die Faktoren Alter, männliches Geschlecht, BMI und HbA1c signifikante Korrelationen mit dem relativen globalen Hirnvolumen. In einer nachfolgenden multivariaten Regressionanalyse wurden Alter, männliches Geschlecht und HbA1c-Spiegel als signifikante Prädiktoren für globales relatives Hirnvolumen identifiziert (korrigiertes R2=0,22; p<0,05). Korrelationsanalysen zeigten weiterhin eine positive Assoziation von globalem relativen Hirnvolumen zu den kognitiven Funktionen verbale Lern- und Merkfähigkeit, verbale Fluenz sowie zu Aufmerksamkeits- und Exekutivfunktionen. Mittels univariater Varianzanalyse konnte zudem eine negative Korrelation von Hba1c (berechnet in Quartilen) und verbaler Lern- und Fähigkeit gefunden werden.

Schlussfolgerungen: In der vorliegenden Querschnittsanalyse konnte gezeigt werden, dass erhöhte Blutglucosespiegel zu vermehrter Hirnatrophie führen. Dieses strukturelle Defizit ist mit funktionellen Einbußen in Form einer reduzierten verbalen Lern- und Merkfähigkeit sowie eingeschränkten Aufmerksamkeits- und Exekutivfunktionen vergesellschaftet – kognitive Bereiche, welche häufig mit altersassoziiertem Kognitionsabbau assoziiert werden.