Aktuelle Neurologie 2007; 34 - M153
DOI: 10.1055/s-2007-987524

Kontroverse Hirnischämie: lokale Thrombose oder Embolie?

T Back 1
  • 1Arnsdorf

Der Aufbruch der Renaissance bescherte der Wissenschaft 1628 die korrekte Beschreibung des Blutkreislaufs durch W. Harvey (1578–1657) als Grundlage aller Überlegungen zum Hirnkreislauf und seiner Störungen. Th. Willis veröffentlichte seine Studien zur Gehirnanatomie 1664, die präzise Schilderungen der Gehirnarterien einschl. des Circulus an der Schädelbasis enthielten. Es war J.J. Wepfer (1620–1695), der anhand von Sektionen den Zusammenhang zwischen zerebralen Rupturblutungen und apoplektischen Symptomen herstellte. Hier bahnt sich die Theorie der zerebralen Ischämie aufgrund einer geborstenen oder verstopften Hirnarterie erstmals an. Das Konzept der lokalen Thrombose auf dem Boden einer veränderten Gefäßwand als Schlaganfallursache bringt Francois Bayle (1622–1709) auf. Die erste gültige Beschreibung des ischämischen Infarktes, damals Hirnerweichung genannt, gelingt aber erst L. Rostan (1790–1866) im Jahre 1823. Er grenzt die Erweichung gegen die apoplektische Blutung ab. Henri Duret (1849–1921) und Jean-Martin Charcot (1825–1893) legen mit einer raffinierten Injektionsmethode detaillierte Studien zur Gefäßversorgung des Gehirns vor, die heute noch gültig sind. Die Beziehung zwischen Arterienverschluss und Erweichungsherd beschreibt Charles Foix (1882–1927) nicht nur für die großen Hirnarterien, sondern auch für den Hirnstamm. In der Kontroverse um die multiarterielle Blutversorgung der Medulla oblongata setzt sich A. Wallenberg (1862–1949) gegen Foix durch. Nach ihm wird später das dorsolaterale Medulla-Syndrom benannt. Das Konzept der Hirnembolie klingt bei H. Boerhaave (1668–1738) an, der einen Zusammenhang zwischen Plaquebildung an den Karotiden und Gehirnthrombosen vermutete. R. Virchow stellt 1847den pathophysiologischen Zusammenhang zwischen Embolie und Gehirnerweichung her. Sir W. Gowers schreibt 1885: „Two pathological processes may cause the occlusion of an artery. A plug, from some distant source, may be carried into the vessel by the blood, and be arrested where the artery is narrower than the plug (embolism) or the clot may be formed in the artery by coagulation of the blood at the spot obstructed (thrombosis).“ C. M. Fisher erkennt 1951 anhand von 8 klinischen Fällen die Obstruktion der A. carotis interna als eine mögliche Ursache des Schlaganfalls. Die Kontroverse zwischen Hypoperfusion und Mikroembolie als konkurrierende Ursachen hämodynamischer Infarkte reicht bis in die neueste Zeit: z.B. in den Arbeiten von L. Caplan (2006).