Aktuelle Neurologie 2007; 34 - M141
DOI: 10.1055/s-2007-987512

Sprechmotorik und posturale Kontrolle beim essentiellen Tremor

M Kronenbuerger 1, P Buderath 1, B Frank 1, D Timmann-Braun 1
  • 1Aachen, Duisburg-Essen

Der essentielle Tremor (ET) ist eine Tremorerkrankung, im Rahmen derer im fortgeschrittenem Stadium klinische Zeichen einer Kleinhirnstörung wie Intentionstremor, Gangstörungen oder Augenbewegungsstörungen auftreten können. Das Kleinhirn ist auch bei der Kontrolle der Sprechmotorik und des Gleichgewichts sowohl beim Stehen als auch beim Gehen beteiligt. Deshalb stellt sich die Frage, ob sich bei Patienten mit ET auch Hinweise für eine Dysarthrie oder posturale Störungen finden lassen. Zusätzlich ist von Interesse, ob die Tiefe Hirnstimulation (THS) des ventrolateralen Thalamus (zu dem das Kleinhirn efferente Verbindungen hat) mögliche Defizite beim ET moduliert.

Bei 25 ET Patienten (Alter 46±21 Jahre) in unterschiedlichen Krankheitsphasen (Dauer 17±16 Jahre) und 25 gesunden Kontrollen (Alter 46±23 Jahre) wurde mit MoDiaS (Merk und Ziegler 1999) die maximale Silbenwiederholungsfrequenz und mit dynamischer Posturographie (EquiTest®) die Standsicherheit untersucht. Zusätzlich wurde die Anzahl der Fehlschritte im Seiltänzergang über 2 Minuten ermittelt. Die gleichen Parameter wurden bei 12 ET Patienten (64±11 Jahre) mit THS an/aus (in randomisierter Reihenfolge) erhoben.

Im Vergleich zu gesunden Kontrollen hatten die ET Patienten eine signifikante Verlängerung der mittleren Silbenlänge in der Silbenwiederholungsaufgabe (ET-Patienten: 192±27,7ms vs. Kontrollen 176±26,3ms). In der Posturographie waren Schwankungen signifikant vermehrt (z.B. mittlere Schwankungsfläche in Bedingung 5: ET-Patienten: 31,4±24,7cm2 vs. Kontrollen 15,8±14,2cm2) und es traten ingesamt mehr Stürze auf (ET-Patienten: 1,4±1,9 vs. Kontrollen 0,1±0,4). Die Aktivierung der THS hatte keinen Einfluss auf die mittlere Silbenwiederholungslänge (aus: 190,9±19,1ms vs. an: 193±17,4ms). Dagegen führte die THS Aktivierung zu einer Reduktion der Stürze in der Posturographie (aus: 1,3±1,3 vs. an: 0,9±0,9). Die Anzahl der Fehlschritte im Seiltänzergang war bei den ET-Patienten im Vergleich zu Gesunden erhöht (ET-Patienten: 3,4±3,5 vs. Kontrollen 1,0±2,5) und die THS führte zu einer Reduktion dieser Fehlschritte (aus: 2,8±4,5 vs. an: 1,2±1,1).

Die reduzierte Silbenwiederholungsgeschwindigkeit und Gleichgewichtsstörungen sind weitere Hinweise für motorische Defizite beim ET, die mit Kleinhirnstörungen bereits in führen Krankheitsphasen vereinbar sind. Diese motorischen Störungen werden durch die THS nicht generell verschlechtert, sondern manche tendenziell gebessert.