Diabetes aktuell 2007; 5(4): 143
DOI: 10.1055/s-2007-986533
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Die Pein mit dem Schmerz

Antje Bergmann, Peter E. H. Schwarz
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Publication Date:
27 August 2007 (online)

Akute Schmerzen gehören zum Alltag der Deutschen: Nur neun Prozent der Bevölkerung erleben ein ganzes Jahr schmerzfrei. Diese Vorstellung ist schlimm - sie entspricht aber der Realität im häuslichen und klinischen Alltag. Der Schmerz (von althochdeutsch „smerzo”, lat. „dolor”) ist eine komplexe Sinnesempfindung, oft mit einer starken seelischen Komponente. Die „International Association for the Study of Pain” definiert Schmerz folgendermaßen: „Schmerz ist ein unangenehmes Sinnes- oder Gefühlserlebnis, das mit tatsächlicher oder drohender Gewebeschädigung einhergeht oder von betroffenen Personen so beschrieben wird, als wäre eine solche Gewebeschädigung die Ursache.” Bei chronischen Schmerzen werden komplexe Wechselwirkungen zwischen biologischen, psychischen und sozialen Faktoren angenommen (biopsychosoziales Schmerzkonzept). Schmerz ist keine „Einbahnstraße”, bei der lediglich Signale aus dem Körper an das Gehirn übermittelt werden, Schmerz ist, was der Patient als solchen empfindet.

Und schon sind wir beim Rheuma. „Rheuma” ist kein einheitliches Krankheitsbild, sondern hinter diesem Begriff verbergen sich etwa 400 unterschiedliche Erkrankungen. Auf jeden Fall bedeutet es für die Betroffenen oft, erhebliche Pein zu erleiden. Patienten mit Diabetes sind nicht geschützt vor zusätzlichen rheumatischen Erkrankungen - und nicht immer ist es leicht, rechtzeitig daran zu denken. Rheuma zu haben, bedeutet Schmerzen zu haben: Schmerzen in den Händen, den Knien, den Armen, den Fußgelenken oder im Rücken. Rheuma zu haben bedeutet, sich oft kaum bewegen zu können, weil die Glieder steif sind oder geschwollen und weil jede Bewegung Qualen verursacht, besonders bei einem Wetterwechsel. In jedem Fall sollte man die Alarmsymptome kennen, um rechtzeitig handeln zu können. Diagnostisch helfen unerklärte Entzündungszeichen häufig mehr als kompliziertere Tests. Die Übersichtsarbeit in diesem Heft versucht im Sinne eines „Crashkurses”, die wesentlichen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen kurz darzustellen und die relevanten diagnostischen Hinweise herauszuarbeiten.

Aber auch geschädigte Nerven können oft Höllenqualen verursachen. Mehr als die Hälfte aller Diabetiker entwickelt nach mehr als zehnjähriger Krankheitsdauer eine Polyneuropathie. Nimmt man alle Typ-1- und Typ-2-Diabetiker zusammen, leiden etwa 30 % darunter. Die Hauptursache ist ein schlecht eingestellter Diabetes mit langfristig erhöhten Blutzuckerwerten. Um Polyneuropathien erfolgreich behandeln zu können, ist es unerlässlich, ihre Ursache zu kennen. Zunächst muss daher der Verteilungstyp der Symptome und Befunde klinisch erfasst werden. Hierdurch lassen sich fokale Formen mit ihrem begrenzten ätiologischen Spektrum identifizieren. In der täglichen klinischen Routine sind aber auch andere neuropathische Schmerzsyndrome häufig anzutreffen. Neuropathische Schmerzen beeinträchtigen die Lebensqualität. Wie kann man diesen Schmerzen aber zu Leibe rücken? Diese beiden wichtigen Themen werden in zwei Artikeln behandelt.

Am Ende von der Pein mit dem Schmerz zur Pein einer guten Diagnostik. Das polyglanduläre Autoimmunsyndrom wird häufig in der Diskussion gebraucht und so selten rechtzeitig diagnostiziert. Dabei kann man den Patienten schwere Krankheitsverläufe mit einer frühen effektiven Diagnostik ersparen. Das polyglanduläre Autoimmunsyndrom umfasst mehrere Krankheitsbilder, die zwei Dinge gemeinsam haben: Es sind mindestens zwei oder mehr endokrine Organe erkrankt, bei denen autoimmune Prozesse zugrunde liegen. Was der Hintergrund dieser Erkrankungen ist, deren Diagnostik und Therapie ist Schwerpunkt unseres vierten Schwerpunktartikels.

Wir hoffen, dass das Lesen dieser Ausgabe ihren Patienten die Pein mit dem Schmerz lindert und Ihnen hilft, schweren autoimmunen Krankheitsverläufen vorzubeugen.

Dr. med. Antje Bergmann

Dr. med. Peter E. H. Schwarz

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