PiD - Psychotherapie im Dialog 2008; 9(1): 105
DOI: 10.1055/s-2007-986382
Im Dialog

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Leserbrief

Further Information

Publication History

Publication Date:
28 February 2008 (online)

Folgender Leserbrief erreichte die Redaktion. Wir haben dem Verfasser direkt geantwortet, haben ihn aber auch gebeten, einer Publikation zuzustimmen, da wir glauben, dass die angesprochene Thematik von großer Bedeutung für den psychotherapeutischen Beruf und damit auch von Interesse für die Leserschaft von PiD ist. Wir würden uns freuen, von Ihrer Seite Stellungnahmen zu erhalten und damit einen Dialog über Belastungen und psychische Krisen bei TherapeutInnen in Gang zu bringen. Bitte senden Sie Ihre Erfahrungen und Kommentare an: pid-redaktion@gmx.de

Sehr geehrte Damen und Herren von „Psychotherapie im Dialog”,

eine Bekannte von mir (40) ist Psychotherapeutin - Bereich Verhaltenstherapie - mit einer eigenen Praxis. Aus den Gesprächen mit ihr habe ich den Eindruck, dass sie sich zunehmend mit ihrer Arbeit quält.

Ich würde ihr gerne helfen und wollte Sie bitten, dass Sie einen kurzen Blick auf die Problematik werfen, um mir dann einen fachlichen Rat, einen Tipp oder Literatur hierzu zu nennen. Das Thema ist aus meiner Sicht: „Psychologen und ihre eigenen psychischen Probleme” bzw. „Wie verhindere ich als Psychologe, dass ich mein Wissen gegen mich selbst verwende”.

Die Problematik zeigt sich bei meiner Bekannten wie folgt: Schwindel, Bewusstseinsaussetzer, ab und an ein Druck auf der Brust. Die psychischen Themen sind Unzulänglichkeitsgefühle, Versagensängste, fehlendes Selbstbewusstsein, Schuldgefühle und das Gefühl, neben sich zu stehen.

Auch fällt es ihr schwer, in Gemeinschaften zu gehen, jede Konfrontation mit Menschengruppen ist für sie eine Herausforderung, besonders, wenn es darum geht, bestimmten Anforderungen zu genügen oder eine Rolle zu spielen. Zum Beispiel im Kontakt mit Kollegen kommt ihr häufig der Gedanke: „Die sind perfekt, die kennen solche Probleme nicht, bei denen läuft alles glatt” oder auch im Privaten, wenn es darum geht mit nicht vertrauten Menschen etwas zu unternehmen - „Halt ich das aus, wie erleben mich die anderen, was denken sie über mich”.

Meine Bekannte - als Person vom Fach - sieht die Auslöser in verschiedenen Punkten; - familiäre Geschichten (Stellung in der Familie, in der viel Verständnis von ihr erwartet worden sei) und die Trennung von ihrem langjährigen Partner vor ca. fünf Jahren, mit dem sie kurz davor war, eine gemeinsame Zukunft aufzubauen. Sie sagt, ab der Trennung sei es „losgegangen” - und nun kommt ihre Verunsicherung bezüglich ihres Berufes dazu.

Dort ist eine Schwierigkeit, dass sie allein arbeiten muss und niemanden zum Austausch hat. Darüber hinaus merkt sie, dass es ihr schwerer fällt, die nötige Distanz zu den Patienten zu halten. Hinzu kommt, dass die Patienten merken könnten, dass sie selbst Schwierigkeiten hat.

Es wäre „peinlich” - ebenso, wenn es die KollegInnen oder die Ärzte in der Umgebung mitbekommen würden - „… und DIE ist Psychologin … - wie will DIE denn helfen, wenn sie sich nicht im Griff hat, etc. …” und unterschwellig läuft die Angst mit, dass die KV es mitbekommen könnte und am Ende ihr die Praxiszulassung entzogen wird.

Dementsprechend ist es für sie äußerst schwierig, sich einem kompetenten Ansprechpartner anzuvertrauen. Das Wissen um ihren Zustand ist ihr einerseits eine Hilfe, andererseits habe ich das Gefühl, dass es einem auch im Weg stehen kann (Was von den Theorien passt denn nun bei mir? Die VT würde mir das raten ABER …? Was ist, wenn es Folgendes ist, dann hab ich ja gar keine Chance …).

Über eine Antwort würde ich mich freuen.

(Name ist der Redaktion bekannt)

    >