Dialyse aktuell 2007; 11(4): 3
DOI: 10.1055/s-2007-985063
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Spiel ohne Grenzen?

Stephanie Schikora
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Publication Date:
09 July 2007 (online)

Fast pünktlich zum Tag der Organspende hat das niederländische Fernsehen am 30. Mai mit „Die Große Spendershow” zur besten Sendezeit eine makabre Organspendeshow ausgestrahlt. Die 37-jährige todkranke Lisa werde in der Live-Sendung entscheiden, wer von drei Kandidaten nach ihrem Tod eine ihrer Nieren erhalten solle, kommunizierte der Sender BNN im Vorfeld der Ausstrahlung. Das holländische Publikum könne per Telefon und SMS Empfehlungen geben, wer der Gewinner des lebensnotwendigen Organs sein werde. Am Ende der „Unterhaltungs-Show” kam dann die Auflösung, worüber übrigens nur noch vereinzelt in den Medien berichtet wurde: Lisa ist eine Schauspielerin, die drei potenziellen Transplantatempfänger waren eingeweiht und hatten sich bereit erklärt, bei dem makaberen, aber fingierten Spiel mitzumachen. „Big Brother” und das „Dschungel-Camp” lassen grüßen.

Als offizielle Begründung für dieses Konzept am Rande oder vielmehr jenseits des guten Geschmacks gab BNN an, mit dem Format das reale Problem der fehlenden Spenderorgane in das Blickfeld der Öffentlichkeit rücken zu wollen. Inwieweit auch die „Quote” dabei eine Rolle gespielt hatte, darüber war in den Pressemeldungen wohlweislich nichts zu lesen. Anlass für die Sendung - so der Fernsehsender - sei der fünfte Todestag des BNN-Gründers Bart de Graaf. Dieser starb an Nierenversagen, nachdem er jahrelang vergeblich auf eine Spenderniere gewartet hatte.

Das Konzept der Fernsehmacher ging wie geplant auf: Weltweit berichteten die Medien über die Reality-Show. Vor allem christlich engagierte Bürger veröffentlichten ihre moralischen Bedenken in Internetforen und Leserbriefen. Auch der Sprecher der EU-Kommission in Brüssel und das niederländische Parlament schalteten sich in die Debatte ein. Zu einem Verbot der Sendung aus ethischen Gründen konnte sich die Regierung auch nach einer heftigen Debatte dennoch nicht entschließen, war zu hören. Das Mediengesetz erlaube es nicht, eine Sendung vor der Ausstrahlung zu untersagen, wurde der Medienminister Roland Plasterk zitiert. Insofern verhalfen die „Macher der Show” damit auch dem Thema Organspende zu einer publikumswirksamen Berichterstattung. Doch zu welchem Preis?

Sicherlich haben die Verantwortlichen durch ihr Bravourstück mehr Aufmerksamkeit erzielt, als das beispielsweise einer seriösen „I-Kidney-You-Tour” der verschiedenen deutschen nephrologischen Gesellschaften und Patientenorganisationen möglich sein wird. Beim „Jedermann-Rennen” am Vortag der deutschen Radmeisterschaft in Wiesbaden wird am 30. Juni ein 50 Mann starkes Team von Transplantierten und Dialysepatienten, aber auch Ärzten, Pflegern und Angehörigen an den Start gehen. Auch dieses Ereignis wird - dem Engagement der entsprechenden Verbände sei Dank - in den Publikumsmedien seinen Platz finden, nur eben wahrscheinlich nicht an ähnlich prominenter Stelle. Dennoch glaube ich, dass solche Veranstaltungen besser geeignet sind als reißerische Shows im Fernsehen, um nachhaltig auf den eklatanten Organmangel und die Aufklärung über Präventionsmaßnahmen aufmerksam zu machen. Wenn hauptsächlich die Sensationslust der Zuschauer bedient wird, wird ein möglicher Effekt wohl schnell verpuffen. Und zwar bevor sich der Einzelne ernsthaft mit der Situation der Betroffenen auseinandergesetzt und vielleicht sogar einen Organspendeausweis ausgefüllt hat. Zurück bleibt nur ein fader Nachgeschmack, das Thema Organspende verschwindet wieder in der Versenkung.

Stephanie Schikora

Stuttgart

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