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DOI: 10.1055/s-2007-983695
Management einer für Osteogenesis imperfecta Typ II diskordanten Geminigravidität
Einleitung: Die Osteogenesis imperfecta Typ II ist eine letale Skelettdysplasie, deren Inzidenz 1–2:100.000 Geburten beträgt. Es handelt sich in der Regel um autosomal-dominante Neumutationen im COL1A1- oder im COL1A2-Gen.
Fallbericht: Die 24 j. IG., 0P stellte sich bei dichorioter, diamnioter Geminigravidität erstmals in der 20+1 SSW zur sonographischen Feindiagnostik vor. Auffallend war ein diskordantes Wachstum mit extrem verkürzten langen Röhrenknochen bei Geminus II. Geminus I war sonoanatomisch unauffällig. Wir führten zunächst eine Fruchtwasseranalyse beider Feten durch, die numerischen und strukturellen Chromosomenanalysen waren unauffällig (Geminus I: 46, XY; Geminus II:46, XX). Der detaillierte Ultraschall bei Geminus II ergab folgenden Befund: IUGR, Schädelkalotte durch Druck des Ultraschalltransducers verformbar, lange Röhrenknochen verformt, gebogen z.T. mehrfach frakturiert, wenig calzifiziert und weit unter der 1. Perzentile. Platyspondylie, kleiner glockenförmiger Thorax, multiple Rippenfrakturen, perlschnurartige Rippen, V.a. Lungenhypoplasie.
Wir stellten die Verdachtsdiagnose „Osteogensis imperfecta Typ II“. Diese Diagnose wurde durch Sequenzierung des COL1A1-Gens an DNS aus kultivierten Amnionzellen mit Identifizierung der krankheitsverursachenden Mutation c.2705G>A(p.Gly902Asp) heterozygot bestätigt (Dr. rer. nat. Ehlers, Gemeinschaftspraxis Dres. Prager, Junge und Partner, Dresden).
Der Mutter wurde der Befund mit infauster Prognose für den 2. Geminus erklärt. Geminus I war sonoanatomisch und chromosomal gesund, daher kam ein Schwangerschaftsabbruch nicht in Frage. Die Klinikseelsorgerin wurde in die interdisziplinäre Betreuung einbezogen. Die Patientin war zunächst dem erkrankten Kind sehr zurückhaltend gegenüber eingestellt und wollte es nach der Geburt weder sehen noch verabschieden. Im Laufe der Restschwangerschaft ist es uns jedoch gelungen, zwischen Mutter und Kind ein Bonding aufzubauen. Unter Einbeziehung der Patientin legten wir präpartal das Management beim Kind post partum fest. In der 35+2 SSW wurde die Patientin wegen BEL des gesunden, führenden Kindes per sekundärer Sectio caesarea nach vorzeitigem Blasensprung entbunden. Das an Osteogenesis imperfecta erkrankte Kind zeigte post partum den typischen Phänotyp. Nach Analgesie verstarb das Baby in den Armen der Mutter noch während des Kaiserschnittes. Die Mutter konnte im Kreise ihrer Familie Abschied von dem kleinen Mädchen nehmen.
Diskussion: Für letale Fehlbildungen diskordante Mehrlingsschwangerschaften werden im Interesse des gesunden Feten möglichst weit ausgetragen. Durch die exakte pränatale Diagnose kann das postnatale Management in seinen Grundzügen festgelegt werden. Hier sollte eine adäquate Schmerztherapie und eine menschliche Zuwendung zum sterbenden Kind und seiner Mutter im Sinne einer liebevollen Fürsorge („tender loving care“) im Vordergrund stehen.