Z Geburtshilfe Neonatol 2007; 211 - P382
DOI: 10.1055/s-2007-983352

Schwere hämorrhagische Darmnekrose durch akute Digitalisintoxikation beim Säugling

A Susen 1, B Wiebe 1, W Wiebe 2, U Pohlmann 1, H Bachour 3, M Ehlen 1
  • 1Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin, Asklepios Klinik St. Augustin, St. Augustin
  • 2Kinderkardiologie und angeborene Herzfehler, DKHZ Asklepios Klinik St. Augustin, St. Augustin
  • 3Kinderchirurgie, Asklepios Klinik St. Augustin, St. Augustin

Einleitung: Glykoside sind eine wichtige Medikamentengruppe in der Therapie der Herzinsuffizienz, gekennzeichnet durch eine komplexe Pharmakokinetik und eine enge therapeutische Breite. Sowohl im Rahmen einer therapeutischen Einnahme als auch bei akzidenteller Überdosierung können Vergiftungserscheinungen auftreten. Bei Erwachsenen sind schwere Darmschädigungen mit Mesenterialinfarkten und hämorrhagischen Darmnekrosen beschrieben, im Kindesalter ist jedoch die fulminante Darmschädigung im Rahmen einer Digitalisintoxikation ein sehr seltenes und wenig bekanntes Phänomen. Kasuistik: Wir berichten über einen 5 Wochen alten männlichen Säugling mit Trisomie 21 und AVSD, der mit Metildigoxin behandelt wurde. 4 Tage nach Entlassung erfolgte die erneute Vorstellung mit Erbrechen. Es zeigte sich neben einer mäßigen Exsikkose ein aufgetriebenes, geblähtes Abdomen ohne Peristaltik. Unter Monitorüberwachung fielen keine Rhythmusstörungen auf, laborchemisch zeigte sich eine geringe Hyponatriämie (131mmol/l) und Hyperkaliämie (5,79mmol/l). Fast unmittelbar nach Aufnahme plötzliche Asystolie, die erst nach kardiopulmonaler Reanimation mit Defibrillation bei wechselnden Arrhythmien beherrscht werden konnte. Anamnestisch konnte eine akzidentelle tägliche Einnahme der etwa achtfachen Metildigoxindosis eruiert werden, der Digoxinspiegel war mit 11ng/ml deutlich erhöht (Norm 0,5–2ng/ml). Nach Gabe von Digitalis-Antidot stabilisierte sich die Herz-Kreislauf-Situation, die abdominelle Symptomatik verschlechterte sich jedoch rasch. Bei der operativen Exploration zeigten sich große Abschnitte des Dünndarms entzündlich und nekrotisch verändert mit Pneumatosis intestinalis jedoch ohne Perforation. Zur Entlastung wurde proximal der befallenen Areale ein Jejunostoma angelegt. Diskussion: Bei der akuten Digitalisintoxikation werden neben Reizleitungs- und Rhythmusstörungen u.a. Elektrolytverschiebungen, verändertes Farbsehen, Übelkeit, Erbrechen und Gewichtsabnahme beobachtet Aufgrund einer selektiven Kontraktion der glatten Gefäßmuskulatur in den Arteriolen der Splanchnikusgefäße kann es in seltenen Fällen zu einer lokalen Darmischämie kommen, die bei Erwachsenen unter dem Überbegriff NOMI (nonocclusive mesenteric ischemia) – ein Krankheitsbild bedingt durch unterschiedliche Ätiologien, subsumiert wird.

Bei jungen Säuglingen sind vereinzelt Verläufe wie bei nekrotisierender Enterokolitis beschrieben. Schlussfolgerung: Bei einer Glykosidintoxikation können kardiale und extrakardiale Symptome auftreten. Aufgrund einer direkten Wirkung der Glykoside auf die Mesenterialgefäße kann es in seltenen Fällen zu einer Darmischämie kommen, die klinisch und radiologisch wie eine nekrotisierende Enterocolitis imponiert und den meist lebensbedrohlichen kardialen Symptomen vorausgehen kann. Deshalb sollte bei Kindern, die mit Glykosiden behandelt werden, frühzeitig eine Spiegelbestimmung durchgeführt werden, sobald abdominelle Beschwerden auftreten.