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DOI: 10.1055/s-2007-983324
Wiederholte Verätzung des oberen Gastrointestinaltrakts bei einem Kleinkind – eine spät entdeckte Kindesmisshandlung
Hintergrund: Fehlende äußere Verletzungszeichen, wechselnde Behandlungseinrichtungen und ärztliche Fehleinschätzung können die Aufdeckung einer Kindesmisshandlung besonders bei Säuglingen und Kleinkindern verzögern. Fallbericht: Im Alter von 2 Jahren erfolgte bei dem jetzt 5-jährigen Mädchen eine Hauttransplantation in einer auswärtigen Klinik infolge einer Verbrühung im Gesäß- und Oberschenkelbereich bei der an keine Kindesmisshandlung gedacht wurde. Während der nächsten 3 Jahre erfolgten zahlreiche ambulante und stationäre Behandlungen bei wechselnden Ärzten und Krankenhäusern. Die Symptome beinhalteten zumeist: Stomatitis, Pharyngitis, obstruktive Bronchitis und Bauchschmerzen. Im Alter von 5 Jahren wurde das Mädchen erstmalig in unserem Haus wegen akuter Hämatemesis, Teerstühlen sowie Bauchschmerzen aufgenommen. Die gastroenterologische Abklärung ergab einen GÖR mit Refluxösophagitis, eine Hiatushernie, ein präpylorisches Ulcus und eine histologisch gesicherte Antrumgastritis. Nach Nahrungskarenz, Protonenpumpenhemmer- und Antibiotikagabe klangen die Beschwerden innerhalb von 10 Tagen endoskopisch kontrolliert ab ohne dass eine Ursache gesichert werden konnte. Bei einer erneuten Vorstellung wegen Hämatemesis, Stomatitis und Bronchitis im auswärtigen Krankenhaus und nachfolgender Verlegung auf unsere interdisziplinäre Intensivstation ergab sich bereits initial der Verdacht auf eine Säureingestion. Außerdem fanden sich zusätzlich multiple, teilweise striemenartige Hämatome. Nach deren rechtsmedizinischer Dokumentation und dem Ausschluss weiterer Verletzungen zeigte die Notfallendoskopie ulzerative Schleimhautläsionen von der Mundhöhle bis zum Magen. Während des kontrollierten Abheilungsprozesses entwickelte sich eine schwere Ösophagusstenose, die nur noch ein Gastroskop von 4,9mm passieren ließ. Zur Sicherung der Ernährung und ösophagealen Bougierung wurde ein Gastrostoma angelegt. Die regelmäßige Ösophagusbougierung gelang bis zu einer Weite von zuletzt 11mm. Unter passierter Kost traten keine Schluckstörungen auf. Nach Einschaltung der Ermittlungsorgane und des Jugendamtes kam das Kind in eine Pflegefamilie mit psychosozialer Betreuung. Im Ergebnis der Untersuchungen hatte die mit der Kindeserziehung überforderte Mutter ihrem Kind vielfach ätzende Substanzen verabreicht, um eine zeitweilige stationäre Unterbringung zu erreichen. Schlussfolgerungen: Gerade die erzwungene Aufnahme ätzender Substanzen kann erhebliche diagnostische Probleme bei der Aufdeckung einer Misshandlung machen. Inkongruent begründete oder unerklärlich rezidivierende Verletzungen und Krankheitssymptome sollten auch den Verdacht einer Kindesmisshandlung einschließen. Im Bereich des oberen Gastrointestinaltrakts und der oberen Luftwege sollten dabei auch wie im unserem Fall endoskopische Abklärungen erfolgen.