Z Geburtshilfe Neonatol 2007; 211 - P353
DOI: 10.1055/s-2007-983323

Schwere conjugierte Hyperbilirubinämie bei einem Neugeborenen mit Rhesus-Isoimmunisierung

C Weisser 1, J Rücker 1
  • 1Sonderauftrag Neonatologie, Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Salzburg, Österreich

Einleitung: Die direkte (conjugierte) Hyperbilirubinämie beim Neonaten ist definiert als ein direktes Bilirubin größer als 34mmol/l (2mg/dl) oder über 15% des Gesamtbilirubins. Als ungewöhnliches Symptom tritt sie bei Rhesus- und AB0-Isoimmunisierung auf mit einer in der Regel aber milden und vorübergehenden Cholestase.

Kasuistik: Wir berichten über ein weibliches Termingeborenes, welches mit einem Hämatokrit von 16% (Hb 5,2g/dl) und einer ausgeprägten Hepato-Splenomegalie spontan geboren wurde. Die Blutgruppe der Mutter war B rh negativ, der Antikörpersuchtest (Anti-D) positiv. Die kindliche Blutgruppe war B Rh positiv, der direkte Coombs-Test positiv. Das Serum-Bilirubin betrug unmittelbar postpartal 5,4mg/dl, nach 24 Stunden wurde ein Wert von 20,1mg/dl, bei einem conjugierten Anteil von 3,8mg/dl, erreicht. Bis zum 6. Lebenstag kam es zu einem Anstieg auf die Maximalwerte von 51,6mg/dl/37,1mg/dl für Gesamtbilirubin/conjugiertes Bilirubin. Am 30. Lebenstag hatten sich die Bilirubinwerte wieder vollständig normalisiert. Die Ursachenabklärung der conjugierten Hyperbilirubinämie umfasste neben serologischen Tests bezüglich intrauteriner Infektionen, den Ausschluss von Stoffwechselerkrankungen sowie die Suche nach intra- und posthepatischen cholestatischen Syndromen, worauf sich keine Hinweise ergaben. Das Kind erhielt am 1. und 2. Lebenstag eine Erythrocytentransfusion. Es erfolgte die Gabe von Immunglobulinen und die Einleitung einer Phototherapie, welche am Folgetag bei einem stabilem unconjugierten Anteil beendet wurde. Am 5. Lebenstag wurde die Substitution mit Ursodeoxycholsäure in einer Dosis von 15mg/kg/die und am 7. Lebenstag die Supplementierung mittelkettiger Fette (MCT) begonnen. Die Entlassung war am 33. Lebenstag möglich. Im Rahmen des Follow-up ergaben sich laborchemisch keine Auffälligkeiten. Ein im Alter von 2 Monaten durchgeführtes NMR des Schädels zeigte keinen pathologischen Befund im Bereich der Stammganglien, die entwicklungsneurologische Untersuchung am Ende des 3. Lebensmonats stellte bei altersentsprechend normalem EEG eine moderate muskuläre Hypotonie fest.

Diskussion: Der genaue Mechanismus der conjugierten Hyperbilirubinämie bei schwerer Hämolyse ist noch unklar. Anzunehmen ist ein Eindicken der Galleflüssigkeit durch ein Missverhältnis von Bilirubin zu Gallensäuren. Die Überlastung der exkretorischen Leberfunktion, die Kompression der intrahepatischen Gallenwege durch die gesteigerte extramedulläre Blutbildung, ein anämiebedingter funktioneller oder anatomischer Leberzellschaden, ein gesteigerter enterohepatischer Bilirubinkreislauf sowie der Wegfall der placentaren Clearance werden als mögliche Ursachen diskutiert. Die Adaptation der Leber an den bereits intrauterin massiv erhöhten Anfall von Bilirubin führt möglicherweise zu einer Leistungssteigerung der Leber, weshalb das unconjugierte Bilirubin normal gehalten werden konnte. Ein positiver Effekt der Ursodeoxycholsäure auf die cholestatische Symptomatik erscheint in unserem Fall plausibel.