Z Geburtshilfe Neonatol 2007; 211 - P192
DOI: 10.1055/s-2007-983263

Kontinuierliche venovenöse Hämofiltration bei einem jugendlichen Patienten mit Ahornsirupkrankheit (MSUD) mit schwerer Stoffwechselentgleisung, Hirnödem und drohender Einklemmung

E Simon 1, B Hadzik 1, U Wendel 1, T Höhn 1
  • 1Med. Einricht. d. Universität Kinderklinik, Düsseldorf

HINTERGRUND: Die Ahornsirupkrankheit (Maple Syrup Urine Disease, MSUD) resultiert aus einer Unterbrechung im Abbau der verzweigtkettigen Aminosäuren Leucin, Valin und Isoleucin (branched-chain amino acids, BCAA). Hohe Konzentrationen insbesondere von Leucin und seiner analogen Ketosäure wirken neurotoxisch und führen zu akuter Encephalopathie und bei chronischer Erhöhung zu kognitiven Defiziten. Patienten mit MSUD müssen daher lebenslang eine leucinarme Diät einhalten. Stoffwechselkrisen treten in Phasen katabolen Stoffwechsels auf, meist im Rahmen von Infekten. Die adäquate Behandlung einer Stoffwechselentgleisung besteht im Aufbau einer anabolen Stoffwechsellage durch hochkalorische Ernährung. Bei der typischen neonatalen Stoffwechselentgleisung führt die konservative Behandlung oft zu keiner ausreichend raschen Senkung der toxischen Metabolite, so dass eine extracorporale Detoxifizierung (Hämodialyse, Hämofiltration) zum Einsatz kommen muss. FALLBERICHT: Der Patient ist ein 12 Jahre alter Junge mit bekannter klassischer MSUD. Im Rahmen eines fieberhaften Infektes mit Erbrechen wurde der Patient mit massiv erhöhten BCAA-Werten (Plasmaleucin 1690µmol/l, Norm <140µmol/l) und Somnolenz stationär aufgenommen. Die Bewußtseinsstörung war im Verlauf zunehmend, in einer CT am zweiten Behandlungstag zeigte sich ein ausgeprägtes Hirnödem mit drohender Einklemmung. Eine konservative Therapie der Stoffwechselentgleisung (hochkalorische enterale und parenterale Ernährung: 5g/kg/d Kohlenhydrate, 1g/kg/d BCAA-freie Aminosäuremischung) über mehr als 72 Stunden führte zu keiner relevanten Senkung der Konzentrationen der BCAA im Plasma. Daher wurde am vierten Behandlungstag bei einem kaum gesenkten Plasmaleucinspiegel von 1453µmol/l mit einer kontinuierlichen venovenösen Hämafiltration begonnen. Über 14 Stunden kam es zu einem raschen Abfall der toxischen Konzentrationen: Leucin sank von 1453 auf 745, Valin von 753 auf 362 und Isoleucin von 400 auf 194µmol/l. Unter der Hämofiltration besserte sich weiterhin die neurologische Symptomatik deutlich. SCHLUSSFOLGERUNG: In den meisten Fällen einer Stoffwechselentgleisung bei älteren MSUD Patienten kann durch eine diätetische Behandlung eine ausreichende Senkung der Leucinspiegel erreicht werden. Bei sehr schwerer metabolischer Dekompensation mit neurologischen Symptomen und der Notwendigkeit einer äußerst raschen Therapie kann jedoch auch bei älteren Patienten eine extracorporale Detoxifizierung notwendig werden. Es zeigte sich, dass die kontinuierliche Hämofiltration in einer solchen Situation zu einer ausreichend schnellen Senkung der toxischen Metabolite und Verbesserung des klinischen Zustandes führt.