Z Geburtshilfe Neonatol 2007; 211 - P138
DOI: 10.1055/s-2007-983209

Unklares akutes Leberversagen nach neurochirurgischer Korrekturoperation einer Chiari-Malformation

A Gratopp 1, K König 1, H Haberl 2, G Gaedicke 1, V Varnholt 1
  • 1Otto-Heubner-Centrum für Kinder- und Jugendmedizin, Charité Campus Virchow-Klinikum, Berlin
  • 2Pädiatrische Neurochirurgie, Charité Campus Virchow-Klinikum, Berlin

Einleitung: Akutes Leberversagen ist eine seltene, aber oft schwerwiegende Komplikation nach operativen Eingriffen mit zum Teil signifikanter Langzeitmorbidität. Die Genese ist oftmals nicht eruierbar. Fallbericht: Wir berichten über einen vormals gesunden 4-jährigen Jungen mit 5-monatiger Kopfschmerzanamnese und eingeschränkter Kopfbeweglichkeit. Ein MRT zeigte einen Kleinhirntonsillentiefstand bei Chiari-Malformation; durch die pädiatrische Neurochirurgie wurde die Indikation zur Dekompressionsoperation gestellt, welche nach unauffälliger präoperativer Vorbereitung komplikationslos in Allgemeinnarkose (mit Sevoflurane und Remifentanil) durchgeführt wurde. Anschließend erfolgte die routinemäßige postoperative Überwachung auf der Kinderintensivstation. Zum Übernahmezeitpunkt war der Patient blass, schläfrig, aber erweckbar, er hatte eine unauffällige Spontanmotorik. Laborchemisch zeigten sich bereits wenige Stunden nach OP-Ende Zeichen einer Verbrauchskoagulopathie mit Thrombopenie (minimal 5/nl), verschlechterter Gerinnung (Quick-Wert 20%, Fibrinogen 106mg/dl, AT III 64%) sowie einem Anstieg der D-Dimere; außerdem stiegen die Transaminasen: ALT >10.000, AST >25.000 und GLDH >4.000U/l innerhalb von 24 Stunden. Bilirubin und Ammoniak waren nur leicht erhöht (bis 2mg/dl bzw. 90µmol/l). Sonographien und eine MRT-Untersuchung (einschl. Gefäßdarstellungen) der Leber zeigten nach 24 Stunden ein schollig-fleckiges Parenchym mit Demarkierung des linken Leberlappens und Perfusionsdifferenz: Portalvenenfluss li<re. Einblutungen im primären OP-Gebiet mussten innerhalb von 36 Stunden zweimalig neurochirurgisch revidiert werden; es erfolgten mehrfach Gaben von FFP, EK (wegen Hb-Abfall) und TK sowie Vitamin K. Ab dem 3. post-OP Tag kam es zu einem weiterem Anstieg der D-Dimere (bis >150mg/l -> Substitution von Protein C [Protein-C-Wert vor Gabe: 30%]) und der Retentionswerte mit Anurie und Peritoneal-Dialysepflichtigkeit. Am Tag 7 wurde bei wieder ausreichender Diurese die Dialyse beendet. Die Protein C-Therapie wurde zunächst fortgeführt (Gabe über 3 Wochen). Der Patient wurde 9 Tage maschinell beatmet. Im weiteren Verlauf sahen wir eine klinische Besserung und eine Normalisierung der Laborwerte, der Junge wurde nach 3 ½ Wochen auf eine Normalstation verlegt, die endgültige Entlassung erfolgte 3 Tage später. In der Nachsorge 5 Monate später war der Junge klinisch beschwerdefrei, jedoch zeigte sich sonographisch ein verkleinerter linker Leberlappen bei normaler Morphologie und Perfusion des rechten Leberlappens. Diskussion: Die durchgeführte Thrombophilie-Diagnostik ergab keinen Anhalt für ein erhöhtes Thrombose-Risiko; die Protein C-Werte lagen später im Normbereich. Ein Lagerungsschaden durch die langandauernde Bauchlage intraoperativ erscheint unwahrscheinlich. Transaminasenanstiege (bis max. 1000U/l) wurde vereinzelt nach Sevoflurane-Narkose in Kindern beschrieben. Die endgültige Genese des Leberversagens bei unserem Patienten bleibt ungeklärt.