Z Geburtshilfe Neonatol 2007; 211 - FV416
DOI: 10.1055/s-2007-983150

„Minimal feeding“ in der ersten Lebenswoche bei FG <1500g. Ist weniger mehr?

C Wieg 1, M Wilhelm 2
  • 1Kinderklinik, Klinikum Aschaffenburg, Aschaffenburg
  • 2Kinderklinik, Klinikum Aschaffenburg, Aschaffenburg

Einleitung: Der Nahrungsaufbau bei sehr kleinen Frühgeborenen ist ein alltägliches Problem, über dessen Modus große Uneinigkeit herrscht. C.L.Berseth et al. publizierten 2003 eine Studie in Pediatrics, in der sie zeigten, dass bei VLBW-Infants ein Nahrungsaufbau mit einer max. oralen Gesamtzufuhr von 20ml/kg/d („minimal feeding“, Regime A) in den ersten 7 Lebenstagen hinsichtlich des Auftretens einer nekrotisierenden Enterocolitis (NEC) einem konventionellen Aufbau mit einer kontinuierlichen täglichen Steigerung von 10–20ml/kg/d (Regime B) überlegen war. Es ergibt sich die Frage, ob ein solches Regime zu einer Verlängerung des Zeitraums bis zur ausschließlich oralen Ernährung und einer mangelnden Gewichtsentwicklung dieser Kinder führt. Methodik: Retrospektive Gegenüberstellung der Zeiträume 4/2002–6/2003 und 12/2003–6/2006 in unserem Zentrum (Wechsel von Regime B auf Regime A) hinsichtlich der Inzidenz der NEC und intestinalen Perforationen (IP), der Gewichtsentwicklung in den ersten 28 LT und des Zeitraums bis zum Erreichen einer vollständig oralen Ernährung bei FG < <1500g. Datenanalyse u.a.aus der Multizenterstudie „Krankheitsbezogene Analyse von Kandidaten-Polymorphismen für schwere Erkrankungen von Frühgeborenen“ (Studienleiter W.Göpel, UKSH Lübeck). Ergebnisse:

4/2002–10/2003

12/2003–6/2006

FG <1500g n

75

112

w:m

35:40

50:62

SSW GA

29,63 (23–32)

29,43 (23–31)

Gew g

1195 (245 SD) (370–1490)

1165 (311 SD) (320–1490)

Mortalität %

n=4 5,3%

n=6 5,3%

NEC o. intest. Perforation n (%)

n=6 8,0%

n=1 0,9%

Weight gain 28. LT %

44,0%

49,9%

Vollständig.orale Ernährung LT

11 (SD5) d

11 (SD 5) d

Diskussion: Es ist von Vorteil den Zeitraum bis zu einer ausschließliche orale Nahrungszufuhr möglichst kurz zu halten, da die in dieser Zeit notwendige parenterale Ernährung mit infektiösen und metabolischen Risiken behaftet ist. Andererseits ist der Nahrungsaufbau bei den FG <1500g durch die unreife interstinale Motilität und die unreife Mucosa deutlich behindert. Sowohl spontane interstinale Perforationen als auch die NEC sind Komplikationen mit erheblicher Langzeitkonsequenz: Wir konnten durch die Umstellung des Nahrungsregimes in der ersten Lebenswoche unsere zentrumsspezifische NEC und IP Rate signifikant reduzieren ohne den durchschnittlichen Zeitraum des Nahrungsaufbaus zu verlängern und ohne dass die Gewichtszunahme in den ersten 4 Lebenswochen beeinträchtigt wurde. Dieses war möglich, da der weitere Nahrungsaufbau in der 2. Lebenswoche meist sehr rasch möglich war. Unser durchschnittlicher Zeitraum des Nahrungsaufbaus von 11 +/5 Tagen war im Vergleich mit den Studienzentren der Multizenterstudie kürzer (16 +/-10 Tage) Konklusion: Die Einführung des von C.L.Berseth et al. vorgeschlagenen Nahrungsaufbaus bei FG <30 SSW GA kann die zentrumsspezifische NEC und IP Rate senken ohne den Zeitraum bis zum Erreichen einer vollständigen oralen Ernährung zu verlängern.