Z Geburtshilfe Neonatol 2007; 211 - FV259
DOI: 10.1055/s-2007-983103

Das Heidelberger Modell der „entwicklungsfördernden, familienzentrierten und individuellen Betreuung Frühgeborener“ Erste Ergebnisse nach der Implementierung im Jahr 2005

C Schott 1, V Ziesenitz 1, D Verveur 1, O Linderkamp 1
  • 1Kinderklinik, Klinikum d.Ruprecht-Karl- Universität, Heidelberg

Hintergrund und Fragestellung: Im Oktober 2005 wurde das Heidelberger Modell der entwicklungsfördernden, familienzentrierten und individuellen Betreuung Frühgeborener (EfiB) auf der Frühgeborenen-Überwachungsstation der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin eingeführt. Dieses Modell lässt sich mit dem Leitsatz „Minimierung der Intensivmedizin auf das unbedingt Notwendige und Maximierung der Zuwendung auf das maximal Mögliche“ beschreiben. Zehn Monate nach der Implementierung wurden die Auswirkungen des neuen Pflegekonzepts auf Frühgeborene unterschiedlichen Gestationsalters im Vergleich mit konventioneller Pflege untersucht. Ziel dieser Studie war, die Wirksamkeit des entwicklungsfördernden Pflegekonzepts zu ermitteln. Daten und Methoden: In dieser retrospektiven, historischen Studie wurde die postnatale Entwicklung von 15 frühgeborenen Kindern mit einem Gestationsalter von 25 bis 34 Wochen unter den Bedingungen der entwicklungsfördernden Pflege während der Krankenhausaufenthaltes anhand verschiedener Parameter mit der Entwicklung von 15 Frühgeborenen desselben Gestationsalters verglichen, die vor der Implementierung von EfiB konventionell betreut wurden. Interventions- und Kontrollgruppe wurden nach dem Gestationsalter in jeweils drei Untergruppen unterteilt. Ergebnisse: Es wurde festgestellt, dass bei gleich langer Dauer des stationären Aufenthalts (67d) die Kinder der Interventionsgruppe bei gleichem Geburtsgewicht (1260g bzw. 1266g) ein deutlich höheres Entlassgewicht (2915g) aufwiesen als die Kinder der Kontrollgruppe (2729g, Steigerung: 6,8%). Die Wachstumsrate war sowohl während des gesamten Krankenhausaufenthalts (22,3g/d vs. 25,2g/d; p<0,1), als auch während der Behandlung auf der Frühgeborenen-Überwachungsstation (28,3g/d vs. 31,2g/d; p<0,1) signifikant höher. Dabei war die zugeführte Energiemenge nahezu gleich (124,4kcal vs. 118,8kcal pro kg KG). Ferner konnte die Teilsondierung der Nahrung bei den Frühgeborenen der Interventionsgruppe im Durchschnitt eine Woche früher beendet werden (Liegedauer der Magensonde: bis 60. vs. bis 54. Lebenstag). Außerdem zeigten die entwicklungsfördernd betreuten Kinder einen signifikant geringeren Coffeinbedarf während des Aufenthalts auf der Frühgeborenen-Überwachungsstation (Dauer: 28,1 vs. 14,7 Tage, Reduktion um 47,7%, p<0,05; verabreichte Menge: 308,6mg vs. 158,2mg pro Kind; Reduktion um 48,7%, p<0,05). Schlussfolgerung: Die Frühgeborenen in der Interventionsgruppe profitierten von der entwicklungsfördernden, familienzentrierten und individuellen Betreuung. Die EfiB führt zu einer Beschleunigung des Wachstums, Reduktion des Coffeinbedarfs und einer kürzeren Liegedauer der Magensonde. Der in der Interventionsgruppe geringere Coffeinbedarf kann ein Zeichen dafür sein, dass die Kinder weniger Stresssituationen ausgesetzt waren. Die Kinder, die nach dem entwicklungsfördernden Konzept betreut wurden, konnten die ihnen zur Verfügung gestellte Energiemenge besser ausnutzen.