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DOI: 10.1055/s-2007-982815
Neue Wege in der Angehörigenarbeit
Die Arbeit mit Angehörigen ist eine wichtiger Pfeiler psychiatrischen Handelns geworden. Zunächst aufgrund eines ausschließlich biologischen Krankheitskonzeptes ignoriert, wurden sie seit den 60iger Jahren im Zuge falsch verstandener familiendynamischer Konzepte oftmals als „Schuldige“ an der Erkrankung gesehen und auch so behandelt.
Die Veröffentlichung des Buches „Freispruch der Familie“ (1984) markiert einen Umbruch: Angehörige werden jetzt als gleichberechtigte Partner im therapeutischen Prozess angesehen. Aufgrund dessen haben sich zahlreiche verschiedene Formen der Angehörigenarbeit entwickelt. Eine neue Kommunikationsebene ist der „Trialog“, wo Patienten, Angehörige und Psychiatrie-Professionelle sich über ihre Erfahrungen mit psychischer Krankheit und psychiatrischer Behandlung austauschen.
Das wachsende Gewicht der Angehörigen zeigt sich auch in der Forschung, wo zahlreiche Studien über die besonderen Belastungen von Angehörigen psychisch Kranker durchgeführt wurden. Es ist nachgewiesen, dass die Prognose psychischer Krankheiten auch davon abhängt, ob es gelingt, die Angehörigen so in den therapeutischen Prozess mit einzubinden, dass sie eine realistische Perspektive für das Leben mit der Erkrankung und dem Kranken gewinnen können. Als wichtig erweist sich dabei die Erarbeitung einer gelassenen, weder zu kritischen noch emotional zu involvierten Haltung gegenüber dem kranken Angehörigen.
Zur Erreichung dieser Ziele haben sich Angehörigengruppen bewährt, die sowohl informieren als auch die Möglichkeit zum Austausch mit gleichfalls betroffenen Angehörigen bieten.
Eine Weiterentwicklung stellen Angehörigengruppen unter dem Konzept der Selbsthilfe ohne professionelle, sondern unter Leitung eines geschulten Angehörigen sowie Familiengruppen (mehrere Patienten und deren Angehörige) dar.
In Kliniken werden Angehörigenvisiten (spezielle Visitenzeiten für Familien) erprobt. Die Selbstorganisation in Angehörigenvereinen mit der Möglichkeit von Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit stellt ein zukunftsweisendes Modell dar.